Die Monroe der Naturbühne
Autor: Dieter Hübner
Trebgast, Freitag, 06. Juni 2014
Theater Früher war sie schüchtern, doch das ist lange her. Seit 40 Jahren erfreut Hilde Volkmann temperamentvoll das Trebgaster Publikum.
von unserem Mitarbeiter Dieter Hübner
Trebgast — Schwer vorstellbar, was die Mutter über ihre Tochter heute sagt: "Hilde war in der Schule ein ganz schüchternes Kind." Ihre Tochter, das ist Hilde Volkmann. Wer Hilde heute begegnet, der kann sich über diese Beurteilung nur wundern. Neben uns sitzt eine Frau, die vor Selbstbewusstsein nur so strotzt, und dieses Jahr als Schauspielerin ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum feiern kann.
Wie jedes junge Mädchen, hatte auch Hilde manche Rosinen im Kopf. Nach ihrer Lehre wollte sie in München die Schauspielschule besuchen. "Ich wollte damals so sein wie Marilyn Monroe.
Ich fand sie sehr natürlich und habe immer versucht, so auszusehen wie sie."
"Ich wollte sein wie Marilyn"
Mit Fotos von Marilyn ist Hilde zum Friseur, hat sich die Haare hellblond färben lassen und Marilyn-Kleider und -Schuhe gekauft. Auch wenn es die gar nicht in ihrer Größe gab. Sie hat alle Monroe-Filme auf Video und inzwischen auf DVD überspielt. Marilyn-Poster zierten - neben Roy Black - ihr Zimmer.
Ein Jahr vor Beendigung ihrer Lehre las sie 1973 eine Anzeige, dass in Trebgast Schauspieler gesucht werden. Für Hilde die Gelegenheit, zu testen, ob ihr die Schauspielerei überhaupt Spaß machen würde. Über ihre Premiere am 16. Juni 1974 als "Schönmunde" im Märchen Aschenputtel war zu lesen: "Eine süße Fratze, die sich auch schon durch eine gepflegte Bühnensprache auszeichnet."
Just zu dem Zeitpunkt lernte sie jemanden kennen.
Das Thema München rückte erst einmal in den Hintergrund. Obwohl es nur eine kurze Liaison war, wollte Hilde danach nicht mehr weg. "Seitdem zieht sich die Naturbühne in Trebgast wie ein roter Faden durch mein Leben", blickt sie heute auf die 40 Jahre zurück. "Durch persönliche und berufliche Entwicklungen ändert sich auch mal die Richtung. Aber egal, ob es nach rechts oder nach links ging, die Bühne ist immer mit dabei geblieben." Auch als sie 1985 - neben ihrem damaligen Beruf als Zahnarzthelferin - bei der Gründung von "Radio Mainwelle" als freie Mitarbeiterin anheuerte. Hörfunkerfahrung konnte sie bereits aufweisen. Denn 1983 durfte Hilde in einem Hörspiel beim Rias in Berlin mit dabei sein.
An ihre erste große Rolle 1979 als "Horlacher-Lies" im Volksstück "Der G'wissenswurm" von Ludwig Anzengruber erinnert sie sich besonders: Drei Dirndl wurden für sie maßgeschneidert, ein ländlicher
"Dutt" frisiert, und sie durfte singen. Zwar keinen Song ihres Idols "MM", sondern ein Volkslied. Aber immerhin.
Die Rolle hatte aber einen Haken: Das ländliche Outfit der "Lies" stand im krassen Gegensatz zu Hildes Schminkgewohnheiten mit extrem langen und dichten Wimpern und sehr viel -tusche. Kurzum: An der Generalprobe entschied der Regisseur, dass die Wimperntusche komplett weg muss. Das war für Hilde die Höchststrafe: "Ihr könnt alles mit mir machen: Mich nackt auf die Bühne schicken, oder mir den Kopf rasieren. Aber ohne mein spezielles Augen-Make-up gehe ich nicht auf die Bühne." Der Regisseur schrie wie ein Berserker. Hilde ließ ihn stehen, stieg in ihren Manta und fuhr heim. Alle zweifelten, ob sie am nächsten Tag zur Premiere kommen würde. Sie kam. Vorher ließ sie sich aber in einem Bayreuther Kosmetikstudio die Wimpern färben und noch mit Tusche nachhelfen.
Die Wimpern waren an diesem Tag länger und dichter denn je. Der Regisseur freute sich am Premierenabend, dass Hilde zur Vernunft gekommen war und das Augen-Make-up nach seinem Wunsch angepasst hatte.
Überhaupt diese Rollen. "Früher war ich das junge Mädchen, das verheiratet wird. In den ersten 15 Jahren meistens mit Horst Thor. Irgendwann war ich dann mal die Mutter, und jetzt bin ich die ‚Tante aus Brasilien‘, da wo die Affen herkommen." Hilde hat die ganze Palette gespielt: Vom Märchen, über das Volksstück und die Komödie bis zum Klassiker. Am Anfang sogar zwei, manchmal auch drei Rollen pro Saison.
Eine echte "Kammer"-Frau
Auf einen bestimmten Charaktertyp hat sich Hilde Volkmann nie festgelegt. "Ich habe da gespielt, wo ich gebraucht wurde." Nur einmal versuchte sie, bei der Besetzung einer Rolle etwas nachzuhelfen.
"Als 2008 ‚Was ihr wollt‘ auf dem Programm stand, wollte ich unbedingt wieder die Rolle der ‚Lach-Marie‘ übernehmen, die ich schon 27 Jahre zuvorgespielt hatte." Bei einem Casting hat sie sich dann durchgesetzt. Zwar nicht mehr als Kammer-"Mädchen", dafür halt als Kammer-"Frau".
Eine ‚normale‘ Frau zu spielen, wie 2004 als Ehefrau Linda in "Tod eines Handlungsreisenden", liegt ihr nicht. "Das ist für mich ganz schwierig. Extrem blöd, extrem schlampig, extrem schrill, extrem exaltiert, ist da schon besser." Die affektierte Gerda in "Schweig Bub" war so eine Rolle. Hilde gibt gleich eine Kostprobe, als wäre es gestern gewesen. Eine ihre schönste Rolle sei die Mutter von "Jedermann" gewesen. "Es war zwar keine Riesenrolle. Aber extrem, auch vom Kostüm her. Ich würde sie gerne noch mal spielen."
Inzwischen setzt sie sich beim Rollenstudium wirklich daheim hin und lernt.
"Bis vor kurzem habe ich früh mal beim Haare-Eindrehen aufs Textbuch geschaut. Aber seit ich zum Lesen eine Brille brauche, geht das nicht mehr. Seit ein paar Jahren setze ich mich wirklich hin und lerne. Und ich merke, dass das wirklich schneller geht, weil es intensiver ist, als nur so zwischendurch."
Immer noch Lampenfieber
Hat sie nach so vielen Jahren noch Lampenfieber? "Ach Gott, bei jeder Vorstellung, vor dem ersten Auftritt. Wenn ich hinter der Bühne stehe und weiß, in fünf Sekunden muss ich raus, denke ich immer: Ich kann jetzt nicht raus, ich muss nochmal aufs Klo."
Das geht ihr jedes Mal so - auch nach 40 Jahren.