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Die Jahre der Bewegungslust


Autor: Michael Busch

Herzogenaurach, Donnerstag, 01. März 2018

In den 70er Jahren rüsteten die Städte in Deutschland sportlich auf. So entstand auch in Herzogenaurach ein Trimm-dich-Pfad, der zumindest am Anfang eine Blütezeit erlebte. In den 80er Jahren ging es aber wieder bergab.
Zwei Schönheiten aus Herzogenaurach testeten den Trimm-dich-Pfad für den Fotografen. Offensichtlich mit viel Spaß.  Fotos: Stadtarchiv Herzogenaurach/Irene Lederer


Michael Busch

Am Anfang stand der Wohlstand. Und die Arbeit. Das hing auch irgendwie zusammen. Je mehr man arbeitete, desto mehr Geld blieb unter dem Strich übrig. Das waren die Aufbaujahre in Deutschland und die 60er. Es gab nur ein Problem, das erstaunlicherweise auch heute wieder immer öfter auftaucht: Der Begriff Work-Balance spielte keine Rolle.
Erst mit den 68er-Bewegungen erkannten die Menschen, dass es nicht gut ist, die wenige Freizeit vor dem Fernseher zu verbringen. Der Kampf um weniger Arbeitszeit wurde letztlich erfolgreich geführt. Doch was mit der gewonnen Zeit machen? Noch mehr Fernsehen? Noch mehr Chips? "Nein", sagt die Herzogenauracher Museums- und Stadtarchivleiterin Irene Lederer. "Mit der errungenen Arbeitszeitverkürzung und der damit gewonnen Zeit passierte etwas anderes: Man wollte die Freizeit aktiv verbringen!"


Teures Vergnügen

Das passierte aber nicht individuell. Wer bisher aktiv sein wollte, fand sich in der Regel mit Gleichgesinnten in Vereinen wieder, für denjenigen, der nicht im Verein war, gab es kein richtiges Angebot. "Es gab Ansprüche an die Kommunen, dass diese letztlich Angebote für diese Freizeit anbieten." In Herzogenaurach war das zum einen der Trimm-dich-Pfad im Thonwald. Zum anderen gab es die Idee, Freizeitzentren zu bauen. Schwimmbad, Eislaufhalle, der Planerei wurden keine Grenzen gesetzt - fast keine Grenzen. Denn als diese anvisierten Kosten die 10 Millionen Mark Grenze (5 Millionen Euro) überschritten, wurde zurückgerudert. Das Freizeitbad entstand und eben der Trimm-dich-Pfad.


Herzinfarkt Ade

Von der Schlaffhäusergasse kommend, erreichte man schnell den Einstiegspunkt des Pfades. Einer von 1500 Einstiegen deutschlandweit. Und überall wiesen in der Regel an einem Rundkurs angebrachte Schilder auf die Stationen des Pfades hin. Denn eine Aufgabe bestand darin die meist drei bis fünf Kilometer lange Strecke zu absolvieren, der zweite Teil lag in der Bewältigung diverser Bewegungsangebote, die im Schnitt alle 200 Meter auftauchten. Einfachste Holzgeräte sollten zur Bewegung animieren, um jeden Einzelnen zum Kampf gegen Übergewicht und Wohlstandskrankheiten wie Herzinfarkte zu stärken.
"Der Pfad wurde viel genutzt", sagt Lederer. Die Olympiade 1972 führte zu dem Boom, aber auch die Akzeptanz von Trimmy, dem Maskottchen der Bewegung. Dem Motto "Ein Schlauer trimmt die Ausdauer" konnte keiner entfliehen. An manchen Stationen bildeten sich Schlangen, um die vorgegebenen Übungen zu absolvieren.
Zwei Gründe führten dann aber letztlich auch wieder zum jähen Ende der Trimm-dich-Pfade. Zum einen wurde "Joggen" modern. Überraschenderweise, denn Joggen heißt übersetzt "Trotten", was der Idee der präventiven Bewegung eigentlich eher entgegengesetzt war. Der zweite Grund war, dass die Kommunen für eine dauerhafte Pflege kein Geld hatten, so dass diese Rundkurse von den Wäldern zurückerobert wurden. So auch in Herzogenaurach.
Dennoch war dieser Pfad wichtig, sagt die Museumsleiterin. "Es war im Grunde der Start einer großen Bewegung für die Gesundheit." Die Sportartikelfirmen, Adidas in Herzogenaurach allen voran, sprangen auf den Zug auf und entwickelten entsprechendes Equipment für den bewegungshungrigen Deutschen. Die blauen und roten Polyester-Trainingsanzüge sind den Sportkindern der 70er Jahre noch heute vor Augen. Auch das Wissen darüber, dass manche Übung aus medizinischer Sicht eher an Körperverletzung grenzte, denn eine wirkliche Ertüchtigung.
Aber noch etwas passiere: "Es gibt heute ein regelrechtes Revival der Trimm-dich-Pfade", meint Lederer. In Herzogenaurach gibt es nun den Gesundheitspfad, ohne Trimmy, aber mit einer Idee aus den 70ern.