"Die Integration ausländischer Mitbürger braucht sehr viel Geduld"
Autor: Pauline Lindner
Heroldsbach, Sonntag, 13. November 2016
"Wie gelingt Integration in der Schule?" hatte die einladende Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) den Vortrag von Christine Zenk überschrieben. Di...
"Wie gelingt Integration in der Schule?" hatte die einladende Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) den Vortrag von Christine Zenk überschrieben. Die sehr subjektive Antwort: Es liegt am Herangehen des einzelnen Lehrers; nicht zuletzt an dessen persönlicher Vorerfahrung und Weiterbildung.
Unter diesem Gesichtspunkt ist Zenk ein Musterbeispiel. Die Mittelschullehrerin mit einem Zusatzstudium der Soziologie befasst sich seit 25 Jahren mit Migration. So begegnete sie als Lehrkraft in einer Jugendstrafanstalt schon ab Ende der 90er Jahre jungen Deutschrussen, bei denen nur die Großeltern noch Deutsch sprachen. "Jetzt ist es für mich ein Déjà-vu", beschrieb sie ihre Arbeit in einer Übergangsklasse der Ritter-von-Traitteur-Schule. Dort unterrichtet sie im dritten Jahr Kinder zwischen zehn und 14, die keine oder nur wenig Deutschkenntnisse haben.
"Das erste Jahr war mein serbisches, das zweite das syrische und nun das afghanische", umschrieb sie die stark wechselnde ethnische Gewichtung. Die 15 Kinder ihrer Klasse kommen aus fünf Nationalitäten. "Vorsicht!", warnte sie ihre Berufskollegen sofort. "Wir müssen nach Ethnien unterscheiden." Kurden aus dem Irak identifizierten sich nicht mit dem Land. Pashtunen und Hazara aus Afghanistan stünden sich sehr skeptisch gegenüber.
Daraus leitet Zenk die Forderung nach interkultureller Kompetenz der Lehrkräfte und einem ordentlichen Maß Wissen über die Herkunftsländer ab. "Dadurch fühlen sich die Kinder angenommen; denn sie bringen eine Art Weltwissen mit." Die meisten haben mehr gesehen als hiesige Gleichaltrige und sprechen mindestens eine weitere, wenn nicht mehr Sprachen.
"Sprache samt Mimik und Gestik vermittelt unsere ganze Kultur", lautet ihre Arbeitsthese.
Sie sieht, hört sie den Begriff Leitkultur, eine "Supervielfalt der Gesellschaft", was die Frage aufwerfe, in was man integrieren wolle. Aus der Soziologie, einer zurückblickenden Wissenschaft vom gesellschaftlichen Zusammenleben, weiß sie, wie lange deutsche Einwanderer in Amerika brauchten, um Teil der Gesellschaft zu werden. Zenk erwartet, dass es viele Jahre dauern wird, bis der Wechsel Deutschlands zum Einwandererland vollzogen sein wird. Lp