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Die Bürgerinitiative will klagen


Autor: Werner Reißaus

Neuenmarkt, Dienstag, 08. März 2016

Die Neuenmarkter Räte haben das Bürgerbegehren zum Hochwasserschutz wegen eines Verstoßes gegen das "Koppelungsverbot" aus formal juristischen Gründen abgelehnt. Die Initiatoren werden vor das Verwaltungsgericht ziehen.
Das Hochwasser hat in der Gemeinde Neuenmarkt - hier eine Aufnahme aus Hegnabrunn - große Schäden angerichtet. Bürger fordern, dass erst ein effektiver Hochwasserschutz gewährleistet werden muss, bevor das Baugebiet Steigengasse in Angriff genommen wird. Foto: Archiv/Jürgen Gärtner


und Alexander Hartmann

Eine Neuenmarkter Bürgerinitiative fordert, dass erst ein wirkungsvolles Hochwasserkonzept umgesetzt werden muss, ehe die Gemeinde eine weitere großflächige Versiegelung vornimmt und in einem neuen Baugebiet "Steigengasse" Häuser gebaut werden dürfen.
Am Montag hat die Initiative eine Niederlage hinnehmen müssen. Das angestrebte Bürgerbegehren wurde aus "materiell juristischen Gründen" in der Gemeideratssitzung fraktionsübergreifend abgelehnt. Die Initiatoren geben aber nicht auf. "Wir werden gegen den Bescheid, den wir von der Gemeinde erhalten, vorgehen und Klage beim Verwaltungsgericht erheben", stellte gestern Dieter Sachs aus Hegnabrunn fest.


"Machen es uns nicht leicht"

Die Gemeinderäte haben das Bürgerbegehren einstimmig für nicht zulässig erklärt. Bürgermeister Siegfried Decker (NG) gab der Bürgerinitiative aber ein Signal. Wie er mitteilte, ist das integrale Hochwasserschutz- und Rückhaltekonzept fast fertiggestellt. Es werde bald im Gemeinderat behandelt. Im Haushalt seien 465 000 Euro für eine Vorgriffsmaßnahme veranschlagt. Zudem habe der Gemeinderat bei der Aufstellung des Bebauungsplans "Steigengasse" geeignete Maßnahmen zum Schutz von Oberflächenwasser aus den Hangflächen zugesagt. Auch wenn man das Bürgerbegehren ablehne. "Wir machen es uns nicht leicht, handeln verantwortungsbewusst und gehen auf die Bürger zu."
Das Gemeindeoberhaupt verwies auf die Stellungnahmen der Verwaltung und die Rechtsauskunft am Landratsamt. Beide seien zum Ergebnis gekommen, dass das Bürgerbegehren, das 454 Personen unterzeichnet hätten, nicht zulässig sei. 446 Unterschriften waren laut Decker gültig. Für einen Erfolg hätten 242 gereicht.


"Es sind zwei Paar Stiefel"

Wie er ausführte, haben die Initiatoren bei der Ausformulierung das "Koppelungsverbot" nicht beachtet. "Die sofortige Umsetzung eines effektiven Hochwasserschutzes einerseits und die weitere großflächige Versiegelung, insbesondere die Erschließung des Baugebietes "Steigengasse" andererseits, sind zwei Paar Stiefel, die nicht zusammenpassen", so Decker.
Er sprach von einer fehlenden Bestimmtheit der Fragestellung. Der Aspekt "Effektiver Hochwasserschutz und großflächige Versiegelung" sei so pauschal formuliert, dass der Vollzug der Entscheidung in der Praxis unmöglich erscheine. Deshalb sei das Begehren nach Auffassung der Verwaltung und der Rechtsaufsicht abzulehnen. Die 446 gültigen Unterschriften seien ein "deutliches Votum der Bürger". Der Gemeinderat sei aber bei der Prüfung des Antrages verpflichtet, eine reine Rechtsentscheidung zu treffen. "Ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum steht ihm nicht zu."
In der Diskussion zeigten die Fraktionssprecher Verständnis für ein Bürgerbegehren und stuften es als ein höchst demokratisches Instrument ein, doch teilte man die Rechtsauffassung. Klaus Zahner (FW) wies wie Decker darauf hin, dass das integrale Hochwasserschutz- und Rückhaltekonzept kurz vor dem Abschluss sei. Er bat die Vertreter der Bürgerinitiative um Geduld: "Wie das Konzept verwirklicht wird, das hängt von den finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde ab. Klar ist, dass wir es nicht sofort umsetzen können, sondern in Schritten."
Gernot Kintzel (CSU-WG) erklärte, dass die Forderung nach einer sofortigen Umsetzung des Hochwasserschutzes problematisch sei, denn es sei davon auszugehen, dass der Maßnahmenkatalog ein großes Kostenvolumen haben werde. Die Kosten werde die Gemeinde nicht auf einmal stemmen können. Das Konzept gestalte sich höchst kompliziert, aber das beauftragte Ingenieurbüro sei auf dem besten Weg, sodass es Ende März vorgestellt werden könne.
Wie Kintzel für die CSU-WG, so machte auch Martin Clemens für die Neuenmarkter Gemeinschaft deutlich, dass die Ablehnung des Bürgerbegehrens juristische Gründe hat. Würde der Rat dem Bürgerbegehren zustimmen, würde er rechtswidrig handeln.


Martin Kaiser als "Pate"

Dritte Bürgermeisterin Patricia Lerner (SPD-OL), die auch auf die formalrechtlichen Hindernisse hinwies, teilte mit, dass man mit der Vergabe des Hochwasserschutzkonzeptes "einen großen Schritt" gemacht habe. Sie verwies darauf, dass das Konzept im Rahmen einer Bürgerversammlung erörtert werden müsse. Zum neuen Baugebiet stellte sie fest: "Wir wollen nicht, dass die dortigen Anwohner und auch die Bauwilligen in eine prekäre Lage kommen." Martin Kaiser (FW) bot an, dass er sich bei weiteren Gesprächen mit der Bürgerinitiative als "Pate" zur Verfügung stellen würde.
Ob die Bürgerinitiative mit einem "Paten" sprechen will? Einer der Mitiniatoren des Bürgerbegehrens, Dieter Sachs, erklärte gestern, dass man von der Entscheidung des Gemeinderats nicht überrascht gewesen sei. Das Gremium habe das Begehren mit juristischen Gründen abgelehnt, die man nun überprüfen lassen werde. "Wir werden gegen den Bescheid der Gemeinde Klage beim Verwaltungsgericht in Bayreuth erheben und sind bereit, gegebenenfalls auch vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu ziehen", sagte er.
Im Gespräch mit dem Juristen am Landratsamt, Thomas Weber, habe dieser mitgeteilt, dass eventuell ein Koppelungsverbot vorliege. Eine eindeutige Aussage habe man nicht erhalten. Für eine rechtliche Bewertung werde man sich nun an höhere Instanzen wenden. Ziel bleibe der Bürgerentscheid.
Dazu, dass die Gemeinde ein Hochwasserschutz- und Rückhaltekonzept vorstellen will, sagte er: "Es ist lobenswert, dass sich langsam was bewegt. Wir wollen aber, dass erst der Hochwasserschutz gewährleistet und dann das Baugebiet in Angriff genommen wird." Details kenne man nicht. Es sei von 20 Millionen Euro Investitionskosten die Rede "Das kann keiner zahlen. Es ist klar, dass das nur Zug um Zug umgesetzt werden kann."