Druckartikel: Der Weg zur "Schwarzen Madonna"

Der Weg zur "Schwarzen Madonna"


Autor: Johanna Blum

Zentbechhofen, Montag, 12. August 2019

Wer kennt ihn nicht, Vitus Kramer, Chorleiter in Zentbechhofen, Organist und Organisator des Wirtshaussingens in der Region? Dieses Jahr machte er sich zu Fuß auf den Weg nach Altötting.Im Gespräch berichtet er von seinem Pilgermarsch.


Wie kamen Sie auf die Idee nach Altötting zu pilgern?

Vitus Kramer: Schon als Kind träumte ich von dieser Wanderung, und dann, vor 15 Jahren habe ich folgenden Satz von mir gegeben: "Wenn sich ............. (ein geheimer Wunsch von mir, den nur ganz wenige enge Bekannte/Freunde kennen) ... erfüllt, laufe ich nach Altötting". An meinem 50. Geburtstag wurde mir bewusst, wenn ich es nicht bis zu meinem 55. Wiegenfest durchführe, werde ich es wohl nie mehr schaffen, eine Strecke von rund 245 Kilometer alleine zu bewältigen. Es mussten jedoch noch einige Jahre ins Land ziehen, bis ich mit den Planungen für mein Vorhaben begann.

Wie haben Sie sich dann darauf vorbereitet? Im März fing ich mit meinem Training an. Oft begleitete mich meine Frau Hannelore bei

Wanderungen in der Umgebung von Zentbechhofen. Anfangs waren es nur acht bis 15 Kilometer an Sonntagen, an denen ich keinen Orgeldienst in der Kirche hatte. So nach und nach wurden 20, 25 und 30 Kilometer daraus. Schließlich musste ich ja auch einige Kilogramm Körpergewicht abtrainieren, denn der Rucksack, den ich schon mal probehalber vorab gepackt hatte, wog sechs Kilogramm und die mussten von meinem Bauch unbedingt weg - was mir dann auch gelang. Immer waren bei diesem Training die Wege und die Kilometer das Ziel. Wie stand es mit der Ausrüstung?

Die - nicht ganz billige - Ausrüstung, bestehend aus guten Wanderschuhen, zwei Paar Socken und einem Hut mit hohem UV-Schutz, ließ ich mir gleich von meiner Familie als "Vorschuss" für meinen Geburtstag schenken.

Und wie sah der Reiseplan aus? Ich plante am Laptop meine Streckenabschnitte, immer so etwa 40 Kilometer am Tag, und auch die Übernachtungen. Dabei sein musste auch ein kleines Gebetbuchbild, das mir meine Eltern zum Erstkommunionausflug nach Altötting gekauft hatten und laut meiner Mutter auch das einzige Andenken war, das ich damals wollte. Ein Sterbebild von meinem Vater habe ich in mein kleines Gebetbuch gelegt und zu meiner Ausrüstung dazu gepackt. Das Andenkenbildchen, das mich schon eine so lange Zeit begleitet hat, war auch ein Grund, warum ich schon vorher immer wieder mal in Altötting vorbeischauen musste. Wann genau ging es dann los? Am Pfingstsonntag um 3.45 Uhr begann ich meinen Pilgerweg - natürlich mit dem wichtigsten - dem ersten Schritt! Das Tagesziel war die 46 Kilometer entfernte Stadt Lauf an der Pegnitz. Nach dem Besuch am Grab meines Vaters ging mein Weg über Förtschwind, Weppersdorf und an Poppendorf vorbei. Ich hörte von Weitem das Gebetläuten um 6 Uhr von der St.-Georgs-Kirche und habe spontan den "Angelus" (Der Engel des Herrn) gebetet, was ich dann jeden weiteren Tag um diese Uhrzeit und auch um 12 Uhr wiederholte. Durch Baiersdorf und an Neunkirchen am Brand vorbei erreichte ich bereits um 15.30 Uhr mein Tagesziel.

Was waren die weiteren Tagesziele?

Am zweiten Tag ging es 34,5 Kilometer nach Neumarkt in der Oberpfalz und das Kloster St. Josef war meine Übernachtungsstätte. Am dritten Tag führte mich mein Weg mit vielen Steigungen 38,5 Kilometer nach Mühlbach.

Gab es besonders schwierige Tage?

Der vierte Tag war der schwerste. Schließlich lag mein Tagesziel 46 Kilometer von mir entfernt in dem Markt Rohr in Niederbayern (Landkreis Kehlheim). Nach einer mächtigen Steigung wartete eine Belohnung (der Biergarten von Kloster Weltenburg) auf mich. Irgendwann hatte ich aufgehört zu zählen, wie oft ich stehenbleiben musste, um durchschnaufen zu können. Für diesen Tag hatte ich mir passenderweise den "Schmerzhaften Rosenkranz" ("Der für uns Blut geschwitzt hat...") aufgehoben und um einen Absatz ("Der für uns den schweren Rucksack getragen hat") erweitert. Im Kloster ließ ich mir mein Pilgerpfännle schmecken, jedoch immer den Gedanken im Kopf: "Jetzt hast du erst die Hälfte deiner Strecke - also 23 Kilometer - geschafft". Also schnallte ich mir meinen Rucksack wieder schweren Herzens auf den Buckel und marschierte weiter.

Total erschöpft erreichte ich um 17 Uhr mein Ziel. Die kleinen Wehwehchen, die sich täglich meldeten, waren erträglich. War es am zweiten, dritten und vierten Tag das rechte Bein, angefangen am Fußknöchel, dann das Schienbein und schließlich das Knie, war jetzt halt mal eine andere Stelle dran, nämlich das Hinterteil. Nun ging es dem baldigen Ziel entgegen. War die Strecke jetzt leichter? Am fünften Tag waren die Beine noch etwas müde, aber das kleine "Wehwehchen" war verschwunden. Die Bildstöcke und Gedenktafeln wurden immer zahlreicher und auch die Wegkreuze veränderten ihr Aussehen. Da kurz vor dem Ziel am Horizont dunkle Wolken aufzogen, legte ich einen Zahn zu und erreichte noch trockenen Fußes meine einfache Unterkunft mitten im Industriegebiet von Ergolding. Am sechsten Tag gab es einen besonderen Höhepunkt.

Dieser Tag machte mir schon bei der Planung Freude. In 41,5 Kilometern Entfernung lag mein Tagesziel: Neumarkt Sankt Veit, wo mich das "Vitusstüberl" erwartete. Als ich die Frage eines Bauern nach meinem Ziel beantwortete, kam ein kurzes aber gebührendes: "Respekt", welches ich später noch öfters hörte. In Neumarkt Sankt Veit ließ ich bei gutem Bier und leckerem Essen im "Vitusstüberl" den Tag ausklingen. Am Ziel angekommen. Wie fühlte sich das an? Der letzte Tag erwachte und läppische 25,5 Kilometer trennten mich von meinem Ziel. Bei Winhöring, gute sechs Kilometer vor Altötting, musste ich kurz die Gleisanlagen der DB auf einer schmalen Eisenbrücke betreten. Nahe der Brücke vor Neuötting kam mir meine Frau entgegengelaufen. Je näher ich der Innenstadt kam, desto deutlicher hörte ich Blasmusik eines Festzugs, denn es wurde die "Altöttinger Hofdult" gefeiert. Bald zeigte sich die Gnadenkapelle und die Stiftskirche von ihrer schönsten Seite und der Kapellplatz gehörte mir fast ganz alleine. Mein Weg war nach 265 Kilometern ohne eine Blase an den Füßen zu Ende. Noch ein aus ganzem Herzen kommendes, seufzendes "Ja, ja, ....." und gut ists. Gab es einen Nachweis für den Pilgerweg wie beim Jakobsweg?

Natürlich. Dazu begab ich mich zur "Pilgerbetreuung" auf dem Kapellplatz. Als man dort meine Wegbeschreibung gehört hatte, holte einer spontan den besonderen Pilgerstempel aus der Sakristei, der normalerweise nur bei besonderen Anlässen oder Jubiläen vergeben wird. Eine Medaille gab es obendrein. Auf dem Pilgerpass stand der Anfang des Mariengebets, das auf der Rückseite meines Gebetbuchbildchens abgedruckt ist. War das Zufall? Ein großer Kreis hatte sich geschlossen.

In der Stiftspfarrkirche besuchten meine Frau und ich noch den "Sensenmann". Nachts hatte ich dann Schwierigkeiten mit dem Schlafen und so stand ich um 4.30 Uhr auf und lief zum Kapellplatz. Ganz romantisch lag die Gnadenkapelle im ersten Morgenlicht da. Niemand weit und breit. Bei meinem Streifzug mit der Kamera um die Kapelle herum bemerkte ich Licht in der Sakristei. Ohne zu zögern trat ich ein. Der Mesner bereitete gerade die Kapelle für die Öffnung um 5.30 Uhr vor. Ich erzählte ihm von meinem Pilgerweg und fragte ihn, ob ich einige Bilder vom Gnadenaltar machen dürfe, was eigentlich verboten ist. Ich hörte wieder ein "Respekt" und er erlaubte es. Bis zur Öffnung war ich völlig alleine, was nochmal ein besonderes Erlebnis für mich war. Ein perfekter Abschluss für eine Pilgerreise. Das Gespräch führte Johanna Blum.