Druckartikel: Der Weg zum Chef hat auch mit Glück und Zufall zu tun

Der Weg zum Chef hat auch mit Glück und Zufall zu tun


Autor: Redaktion

Herzogenaurach, Mittwoch, 07. August 2019

Was erwarten 200 Wirtschaftsvertreter, Behördenleiter und Unternehmer von zwei Männern, die einer Weltfirma mit 380 000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 83 Milliarden Euro vorstehen? Erwarten ...
Joe Kaeser


Was erwarten 200 Wirtschaftsvertreter, Behördenleiter und Unternehmer von zwei Männern, die einer Weltfirma mit 380 000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 83 Milliarden Euro vorstehen? Erwarten sie Empfehlungen zur Mitarbeiterführung, zur Umsatzsteigerung und Profitmaximierung oder interessieren sie sich für die Menschen hinter den Personen, für deren Glaubenssätze und Wertvorstellungen?

Die Stadt- und Kreissparkasse Erlangen Höchstadt Herzogenaurach hatte zu einer Veranstaltung mit dem Titel "Unter der Kuppel - Unternehmer im Dialog" eingeladen und dazu den Vorstandsvorsitzenden von Siemens, Joe Kaeser, und dessen Finanzvorstand Prof. Ralf P. Thomas gewinnen können. Dem Bayern-1-Moderator Thorsten Otto fiel die Rolle zu, den beiden Wirtschaftslenkern die ein oder andere persönliche Leidenschaft, Vorliebe, Einsicht oder auch Lebensprägung zu entlocken.

Angenehm wirkten Kaeser und Thomas sowohl durch ihr unverkrampftes Auftreten, als auch durch ihre unverstellte Sprache, die einen Hinweis auf ihre Heimatverbundenheit gab. Kaeser, der Niederbayer, und Thomas, der Franke, reden so, wie sie immer dort geredet haben, wo sie aufgewachsen sind.

Die Erfahrung, dass jeder Mensch im Leben sich anstrengen und kämpfen muss, wenn sich Erfolge einstellen sollen - all das entlockt Thorsten Otto den beiden, in dem er immer wieder das Gespräch zu Kindheits- und Jugenderinnerungen lenkt, also dort, wo Prägung stattfindet. Und in diesen Augenblicken erleben die Zuhörer die bekannten "Aha"-Effekte, dass nämlich hier "unter der Kuppel" in Erlangen am Hugenottenplatz Menschen mit ähnlichen Lebenserfahrungen wie "du und ich" sitzen und plaudern.

Soziale Standards dank Erfolg

Dass der Weg zum Chef einer Weltfirma oftmals nicht ausschließlich mit Kompetenz, Fachwissen, Disziplin und eisernen Willen, sondern auch mit Glück und Zufällen zu tun hat, das bekennt Joe Kaeser offen. Und dass er sich angesichts der herausragenden Stellung als Vorsitzender eines weltweit agierenden Imperiums in dieser Rolle auch manchmal unwohl fühlt, lässt er das ein oder andere Mal durchblicken. Manches Privileg, wie beispielsweise der imposante Blick aus dem sechsten Stock der Münchner Vorstandsetage in das Alpengebiet, sollte doch eher seinen Mitarbeitern, die Tag für Tag an diesem Standort fleißig ihre Arbeit verrichten, vorbehalten sein, philosophiert Kaeser.

Mit seinen wertkonservativen Ansichten nimmt er Stellung zur sozialen Verantwortung deutscher Unternehmen, die für Kaeser eine Selbstverständlichkeit darstellt. "Aber das Geld muss ja erst verdient werden, bevor es verteilt werden kann" argumentiert der Siemenschef und favorisiert den "inklusiven Kapitalismus" - eine Wirtschaftsform, bei der die Lösung von sozialen Problemen direkt mit dem Erfolg der Wirtschaft korreliert. Demnach garantiert der Wirtschaftserfolg erst eine erfolgreiche Inklusion und damit verbundene hohe soziale Standards.

Ob es so etwas wie gegenseitiges Vertrauen in der Managementebene heute noch gibt, will Otto von beiden zum Schluss wissen. Wie sehr sich beide schätzen und vertrauen, wird dabei schnell in einer Deutlichkeit klar, die nahelegen könnte, dass der Siemens-Erfolg nicht allein auf hohem Sachverstand und Wissen, sondern auch auf essenzielle menschliche Grundeinstellungen wie eben Vertrauen gegründet ist. red