Der Strandausflug
Autor: Markus Häggberg
Lichtenfels, Freitag, 22. Juni 2018
Markus Häggberg A lso das war so: Der Jonas führt eine Fernbeziehung und wenn seine Münchener Freundin Elisabeth nicht bei ihm in Bad Staffelstein ist, dann geht sie mit ihm einen Kompromiss ein und m...
Markus Häggberg
A lso das war so: Der Jonas führt eine Fernbeziehung und wenn seine Münchener Freundin Elisabeth nicht bei ihm in Bad Staffelstein ist, dann geht sie mit ihm einen Kompromiss ein und man trifft sich von Zeit zu Zeit auf so zirka halbem Wege in Nürnberg.
Dort gibt es derzeit in der Altstadt einen Stadtstrand, schön am Wasser gelegen und über und über mit Sand und Liegestühlen bedeckt. Man kann es dort aushalten, so zwischen Bacardi Rum, Grillfleisch und noch mehr Alkohol.
Und während Jonas mit dem Regionalexpress nach Nürnberg fährt, nimmt Elisabeth den ICE.
Neulich merkte Elisabeth an, dass mit der Beziehung etwas nicht mehr so ganz stimme.
Man sei nach all der Zeit und ohne es zu wollen, so ein bisschen abgestumpft. Die Beziehung könnte durchaus einen belebenden neuen Pfiff vertragen, aber ansonsten sei man sich natürlich gut.
Da erinnerte sich der Jonas, dass seine Freundin ja mal erwähnte, Humor zu besitzen und auf spontane Einfälle zu stehen.
Und wie er neulich so am Vorabend des Nürnberg-Ausfluges im Lichtenfelser Fachmarktzentrum einkaufen ging, kam ihm an irgendeinem Grabbeltisch doch glatt ein Schnorchel-Set mit Taucherbrille unter. "Hm", dachte sich der Jonas und fuhr so gedanklich bei sich fort, das Schnorchel-Set noch etwas auszuweiten.
Was, wenn er seine Freundin am Bahnsteig in Nürnberg mit Schnorchel, Taucherbrille und Schwimmflossen abholte.
Wäre das nicht wahnsinnig spontan und humorvoll? Würde das die Beziehung nicht aufpeppen und ihn in einem anderen Licht darstellen?
Um es vorwegzunehmen: Aus den Schwimmflossen wurde nichts. Aber dafür begegnete ihm ein Schwimmreif mit aufblasbarem Zebra, den man sich um den Bauch klemmen kann. "Das ist ja noch viel humorvoller als die Schwimmflossen", dachte sich Jonas und kaufte ein.
Dann nahte der Samstag, der Ausflugstag. Das direkte Abholen vom Gleis misslang Jonas, weil Elisabeths Zug an diesem Tag außerfahrplanmäßig an einem anderen Bahnsteig einfuhr.
Und so marschierte er mit angelegtem Schwimmreif, Taucherbrille und Schnorchel kleidungstechnisch gut vorbereitet durch den Bahnhof - von der Reiseauskunft durch die Bahnhofshalle und hinüber zum entsprechenden Gleis. Nürnberg hat schon viel gesehen, aber einen Mann, der im Bahnhof mit Schnorchel, Taucherbrille und Rettungsring samt integriertem aufblasbarem Zebra unterwegs war, dann doch noch nicht. Menschen lachten und zeigten sich fröhlich, als sie auf den Strandbesucher deuteten.
Das ermutigte Jonas und er malte sich aus, für wie spontan und humorvoll er gleich gehalten wird. Ganz gewiss würde Elisabeth herzlich lachen, vielleicht sogar einen Lachanfall bekommen, den von der Art, bei dem sie immer so nett quiekt.
Auf jeden Fall würde man Momente miteinander teilen, die so schnell nicht vergessen würden.
Die Begegnung am Gleis fiel unbeschreiblich aus. Der Rest ist kurz erzählt: Jonas wird seitdem von seiner Freundin mit völlig neuen Augen gesehen. Und diese Momente im Bahnhof und in der Fußgängerzone sind ihr unvergesslich geblieben.
Elisabeth hatte an diesem Tag auch sehr viel Bacardi Rum getrunken. Außerdem pausiert die Beziehung gerade. Ansonsten ist man sich allerdings gut.
Vielleicht telefoniert man demnächst bei Gelegenheit mal wieder miteinander. Aber das ist kein Muss mehr. Fernbeziehungen sind halt ein bisschen schwierig.