Der Stoff, aus dem Trivialromane gemacht sind
Autor: Katharina Müller-Sanke
Thurnau, Montag, 23. März 2015
von unserer Mitarbeiterin Katharina Müller-Sanke Thurnau — Liebe, Herzschmerz, Abenteuer - das ist der Stoff, aus dem Trivialliteratur gemacht ist. Beim jüngsten Literatencafé des...
von unserer Mitarbeiterin
Katharina Müller-Sanke
Thurnau — Liebe, Herzschmerz, Abenteuer - das ist der Stoff, aus dem Trivialliteratur gemacht ist. Beim jüngsten Literatencafé des Vereins Natur und Freizeit in Thurnau stand diese oftmals missbilligend betrachtete Form der Literatur im Fokus.
Und siehe da: Die Vortragenden auf der Bühne, zumeist Mitglieder der Theatergruppe "Die Buschklopfer", aber auch die Kulmbacherin Barbara Semmlinger sowie Lokalmatadorin Gisela Kern schafften es, das Publikum mitzureißen, es mit ihren teils bissigen Kommentaren zum Lachen zu bringen und zu unterhalten.
Denn genau das ist es, was Trivialliteratur soll: Unterhalten. Der Leser - oder in diesem Fall der Zuhörer - soll in die Geschichte eintauchen, das geschieht mit Beschreibungen aus dem Leben, mit einfachsten und offensichtlichsten Handlungen mit sehr bildhafter Sprache.
Da wurde zum Beispiel das Buch "Reichsgräfin Gisela" der Schriftstellerin Eugenie Marlitt vorgestellt und Ausschnitte daraus vorgetragen. Marlitt lebte im 19. Jahrhundert und war so etwas wie die erste Bestsellerautorin. Ihre Geschichten erschienen zunächst in einer Zeitschrift und wurden später auch als Romane gedruckt. "Die junge Gräfin trug ein Kleid von zartblauer Farbe. Ohne jedwede Verzierung sah es fast aus wie ein Talar mit weiten offenen Ärmeln, dessen Falten nur um die Taille mittels eines Gürtels zusammengezogen waren. Aber diese durchsichtigen Musselinfalten legten sich knapp um die zartgeformte Büste und ließen das rosige Weiß der Schultern durchscheinen."
Ideales Anschauungsobjekt
Und so weiter und so fort. Das Buch ist ein ideales Anschauungsobjekt. Nicht nur wegen seiner Sprache, sondern auch wegen seiner Handlung.
Denn natürlich gehört zu einem echten Trivialroman auch ein Happy-End und das Aufzeigen von Gegensätzen und damit in diesem Fall die Kritik an korrupter Politik und arrogantem Adel: Die junge Gräfin Gisela lernt nämlich, durch die Liebe zu einem Unbekannten nach und nach ihren Standesdünkel abzulegen. Das ist Stoff zum Träumen.
Genauso wie bei heutigen so genannten Groschenromanen. "Heimatliebe", "Mutterherz" oder auch "Ein Blumenstrauß" heißen sie. Die Darsteller geben Einblick zum Beispiel in die Geschichte zweier Bauersfamilien, den Dünningers und den Riedbergers. Die Kinder beider Bauern, Marianna und Axel, sollen heiraten, beide sind jedoch verliebt in jeweils Andere. Axel sogar in die arme Kellnerin Rosl, der er immer wieder wortgewaltig erklärt, wie lieb er sie hat. Sie ziert sich noch ein bisschen.
Die Eltern sind mit der Liebe ihres Sohnes nicht einverstanden, doch Axel setzt sich durch.
Es mag wohl niemanden überraschen: Am Ende läuten Hochzeitsglocken, Rosl wird schwanger - und alle leben glücklich und zufrieden. Dem Leser kommen die Tränen.
Eingebettet in seichte Liebesromane durfte an diesem Nachmittag auch der Bestseller "The 50 Shades of Grey" nicht fehlen. "Ein Millionenpublikum kann nicht irren", betonte Frank Walther von den "Buschklopfern". Und dann wurde beim Vorlesen doch so manch einer rot. Denn von kitschiger Romantik war nicht mehr viel zu sehen und zu hören. In der Trilogie geht es um ein Bündel verschiedener Sexpraktiken rund um Fesselungen, Unterwerfung und Sadomasochismus. "Wir lernen daraus, dass es billiger ist, Sexartikel im Baumarkt zu kaufen, als im Sexshop", so Cosima Asen, die die Lesung von Frank Walther wortwitzig kommentierte. Sie bestand außerdem darauf, zu eindeutige Worte durch schönere zu ersetzen.
Insgesamt war der Nachmittag ein voller Erfolg. "Es war eine große Herausforderung mit den völlig unterschiedlichen Texten, aber es hat riesig Spaß gemacht," so Cosima Asen. Und den Besuchern hat es ebenso gefallen.