Der Schäfer als Hüter des Artenschutzes
Autor: Gerda Völk
Wallersberg, Sonntag, 21. Juli 2019
Über "Weidewirtschaft und Wacholderhänge" im Lauf der Zeit berichtete Diplom-Biologin Andrea Musiol.
Ein Mann mit Hut und Stock, inmitten einer Herde von Ziegen und Schafen. Die Arbeit des Schäfers ist seit Jahrhunderten gleichgeblieben. Standen noch im letzten Jahrhundert die Wolle- und Fleischerzeugung im Vordergrund, ist es heute die Landschaftspflege.
Einen Einblick in die jahrhundertealte alte Tätigkeit des Schäfers gab Diplom-Biologin Andrea Musiol bei einer CHW-Exkursion zum Thema "Weidewirtschaft und Wacholderhänge". Rund 30 Geschichtsinteressierte hatten sich am Treffpunkt am Sportplatz in Wallersberg eingefunden. Von hier aus ging es in die Wachholderhänge, wo seltene Vogelarten und eines der letzten Vorkommen des Apollofalters in Franken auftreten.
Die meisten Menschen verbinden die Schäferei mit positiven Gefühlen, ist von der Referentin zu erfahren. Allerdings habe der Schäfer in der Bevölkerung kein so positives Image. Entstanden ist der Beruf im 13. Jahrhundert, als sich die Dörfer entwickelt haben, und die Bewirtschaftung nach dem Prinzip der Drei-Felder-Bewirtschaftung eingeführt wurde. In einem Jahr wurde Sommergetreide, im anderen Jahr Wintergetreide angebaut, im dritten Jahr lag die Anbaufläche brach. Während der Brache wurden diese Flächen zur Beweidung freigegeben, über die allerdings nicht der einzelne Bauer entschied, sondern die Gemeinschaft.
"Dieser Gemeindeschäfer wurde nicht nur schlecht bezahlt, sondern hatte auch einen geringen Stand innerhalb der Dorfgemeinschaft", erklärt Andrea Musiol. Die Tiere der Dorfgemeinschaft, zu denen neben Schafe auch Ziegen, Schweine und Rinder gehörten, durften nicht auf den landwirtschaftlich wertvollen Ackerflächen weiden. Ab dem 14. Jahrhundert wurde dann die Wolle interessant. Zudem traten die Gemeindeschäfer jetzt in Konkurrenz mit den Schäfern der Landesherren und einige Zeit später auch mit durchziehenden Herden. Man müsse sich die Landschaft nicht so vorstellen, wie wir sie heute kennen. Im 18. Jahrhundert stieg man von der Weidewirtschaft auf die Stallhaltung um, da Futter wie Klee angebaut wurden und der Gemeinschaftsbesitz in den Einzelbesitz übergegangen ist. Mit dem Umbruch konnten die Schäfer nicht mehr so ohne weiteres auf die Flächen. Um 1860 gab es noch 300 000 Schafe, knapp 60 Jahre später waren es schon deutlich weniger.
Aspekte des Artenschutzes
Wie ging es mit den Flächen weiter? "Es gab regelrechte Aufforstungsprojekte", erklärt Musiol. Erst in den 1960er und 1970er Jahren erhielt der Naturschutz einen zunehmend hohen Stellenwert. Im Kleinziegenfelder Tal und rund um den Staffelberg hat man die Flächen wieder entbuscht und freigestellt. Es begann ein Prozess der Weidewirtschaft unter dem Aspekt des Artenschutzes. Ohne die Schafe, die seit Jahrhunderten das Bild der Juralandschaft prägen, gebe es auf den kargen Böden nicht so viele seltene Insekten- und Pflanzenarten. Zudem sorgen die Schafe und auch die Ziegen dafür, dass sich der Samen seltener Pflanzen über ihr Fell weiterverbreitet. Die Weidetiere befreien die Felsen vom dichten Bewuchs und erhalten damit einen wichtigen Lebensraum für Schmetterlinge, wie beispielsweise den Apollofalter.
Im Landkreis Lichtenfels erledigen zwei Schäfer diese Aufgabe, sie bewirtschaften gemeinsam eine Fläche von rund 120 Hektar. Schäfer verdienen heute nicht mehr vorrangig ihren Lebensunterhalt vom Fleisch ihrer Ziegen oder Lämmer, auch der Wollpreis spielt keine Rolle mehr, sondern von Subventionen, die sie für die Landschaftspflege durch ihre Tiere erhalten. Überhaupt geht es laut Musiol, heute eher um die Frage, wie viel wir uns die Pflege der Flächen kosten lassen. "Die Kosten der Pflege dieser Flächen ist immer eine Grundsatzentscheidung." Trotz der tierischen Helfer, alle zwei bis drei Jahre müssen die Flächen mit einer Kettensäge freigehalten werden.