Der sagenumwobene Silberberg
Autor: Alexander Grahl
Kronach, Donnerstag, 19. März 2020
Nahezu 700 Jahre wurde in dem Erzbergwerk im Rodachtal unter spartanischen Lebensumständen "nach edlem Gestein und Erz" geschürft. Nur das braune "Silberbergzwerglein" in der Sagenwelt des Frankenwaldes hat überlebt.
Kronach — Wo die "Zahme Rodach" von Steinwiesen und die "Wilde Rodach" von Wallenfels her bei Erlabrück zusammenfließen, erhebt sich der 518 Meter hohe Silberberg. Ursprünglich Stiftsberg genannt, erhielt er seinen Namen vom Silbererz, das einst mit Blut, Schweiß und Tränen aus den Tiefen des Berges gewonnen wurde. Dornenreiche Sträucher und Schlingpflanzen bedecken heute fast schon symbolisch die durch Klimafluch und Naturkatastrophen der Neuzeit entstandenen Waldschäden an den Steilhängen hin zur Bundesstraße 173.
Neben der Flößerei und dem Weberhandwerk war in früheren Zeiten der Bergbau eines der ertragreichsten Gewerbe im Frankenwald. Der Abbau vorhandener Erze und Gesteine im Rodachtal wird erstmals im 13. Jahrhundert dokumentiert, als Kaiser Friedrich II. an Bischof Heinrich von Bamberg das Mutungsrecht auf Silbergruben und "unterirdische Zehente" verlieh. Ein Aufschwung der Zeche scheint allerdings erst in der Zeit um 1400 gekommen zu sein. Unter Bischof Philipp von Henneberg wird das Bergwerk am Silberberg mit allen Freiheiten auf Gold, Silber, Kupfer und Blei an die sich allmählich formierenden Zünfte und bergrechtlichen Gewerkschaften verpachtet.
Außer den eigentlichen Vorkommen der Erze waren zu ihrer Gewinnung und nutzbringenden Verarbeitung zwei weitere Faktoren unumgänglich: Der Wald musste die zur Aufbereitung notwendige Holzkohle und das fließende Wasser die Kraft zum Betreiben der Hammerwerke liefern, die das erzhaltige Gestein brachen und in eine für die Verhüttung notwendige Form zerkleinerten. Die Anlage der Stollen war durch die tiefen Täler des Frankenwaldes begünstigt. Es brauchte in der Regel kein senkrechter Einfuhrschacht angelegt zu werden. Dieser führte von der Talsohle aus waagrecht in den Berg.
Mit der Anlage von Gruben und Gewerken wurde von landesherrlicher Seite auch eine Bergordnung eingeführt, um den "wilden Abbau" in geordnete Bahnen zu lenken, Streitigkeiten zwischen den Grubenbesitzern zu unterbinden und nicht zuletzt auch einen botmäßigen Anteil an den Erträgen als Einkünfte für die fürstbischöfliche Kasse sicherzustellen. "Welcher einen fündigen Gang aufdeckt, der erhält bei sich zeigendem silberhaltigem Erz zehn Gulden Fundlohn. Wenn in Bächen und Flüssen Gold gefunden wird, so darf der Ertrag nur dem Stifte Bamberg zu Nutz und Frommen gereichen. Alle Unterschleifung und Veruntreuung wird mit strengsten Strafen geahndet", heißt es unter Drohgebärden des Bistums.
Bei den Bergwerken am Wallenfelser Silberberg handelte es sich im wesentlichen um den Abbau sekundärer Bleivorkommen, die als Bleiglanz in grobkristalliner Form auftraten. Nicht unbedeutend war der Silbergehalt. Er betrug etwa 50 Gramm pro Doppelzentner Roherz. Das Blei wurde zur Herstellung von Geschossen, zur Fertigung von Haushaltsgegenständen und zum Einglasen von Butzenscheiben verwendet.
Zwölf Stunden Arbeit im Stollen
Das Bergwesen bestand aus Grube, Pochwerk und Hütte. In fündigen Zeiten arbeitete der Bergmann mit seiner Haue unter "spartanischen" Verhältnissen täglich zwölf Stunden im Stollen. Karg war auch der Lohn. Drei Taler in der Woche reichten gerade für das Nötigste.
Im Pochwerk wurde das Roherz von mit Wasserkraft angetriebenen Hämmern zerkleinert. Diese Tätigkeit verrichteten meist die "Pochjungen", die Kinder der Bergleute. Schon vom zehnten Lebensjahr an führte man sie an die leichteren Arbeiten heran, bis sie ab dem 18. Lebensjahr selbst in den Berg einfahren konnten. In der Schmelzhütte wurde das im Pochwerk aufbereitete Erz unter Zuhilfenahme großer Blasebälge geschmolzen und das Silber auf Treiböfen getrennt. Hierzu verwendete man Holzkohle aus den zahlreichen Köhlereien des Frankenwaldes.