Druckartikel: Der Österreicher und die Russin

Der Österreicher und die Russin


Autor: Rudolf Görtler

Bamberg, Samstag, 25. Oktober 2014

Lesung  Wolf Haas sorgte am Bamberger Theater für ein volles Haus. Der Krimiautor hat gerade seinen siebten "Brenner"-Roman veröffentlicht und setzt auf die bewährte Rezeptur für einen neuen Bestseller.
Wolf Haas las in Bamberg aus seinem Roman "Brennerova".  Foto: Matthias Hoch


von unserem Redaktionsmitglied 
Rudolf Görtler

Bamberg — Sage noch einer, das Konzept "Lesung" habe sich überholt. Ein Autor setzt sich auf eine Bühne, vor sich sein neues Buch, schlägt es auf und liest vor. Und das Publikum lauscht andächtig. Das war einmal. Oder doch nicht? Am Donnerstagabend saßen im E.T.A.-Hoffmann-Theater Hunderte, um das angeblich überholte Ritual zu pflegen.
Aber der da auf der Bühne war schon ein ganz Besonderer. Wolf Haas, knapp 54, geboren in Graz, lebend in Wien, ist wohl das, was man etwas abgedroschen einen "Kultautor" nennt. Insbesondere seine Krimis um den Polizisten Simon Brenner haben sich millionenfach verkauft, sind kongenial verfilmt worden ("Der Knochenmann"). Aber auch ins Terrain vertrackterer Hochliteratur wagte sich der studierte Linguist und errang mit der "Verteidigung der Missionarsstellung" gleich einen Achtungserfolg.
Doch in Bamberg kam Bewährtes zu Gehör: der siebte Teil der "Brenner"-Reihe, eben erschienen und benamst "Brennerova". Halt, im Stehen noch und als Einstimmung trug Haas den Text seines Kinderbuchs "Die Gans im Gegenteil" vor, das, so der Autor, "von Buchhändlern sabotiert" würde. Was den Bestsellerautor garantiert nicht zum Schlafen unter der Brücke gezwungen hat. Dennoch griff er auch beim neuen "Brenner", sein Held ist mittlerweile privatisierender Expolizist, auf bewährte und von seinen Fans geliebte Stilmittel zurück.
Haas schreibt keine realistischen Kriminalromane, sondern kuriose Krimikomödien. Sie sind ungemein komisch wegen der Spitzen und Weltbeobachtungen am Rande: "Natürlich, die große Liebe war es nicht, weil nach mehreren Wochen immer noch kein böses Wort, kein Schreiduell, kein Würgemal, aber der Brenner trotzdem sehr zufrieden, sprich Altersweisheit." Haas spielt virtuos mit Erzählmustern, setzt mal erlebte Rede ein, mal den allwissenden Erzähler, vor allem aber einen atemlos hechelnden österreichischen Duktus, aus gesprochener Sprache entwickelt, mit unvollständigen Sätzen, mit Hilfskonstruktionen wie "ding" und "Hilfsausdruck".
Und genauso liest der Mann dann auch, übers Lesepult gebeugt, die neue Geschichte, wie der Brenner sich mit einer Russin einlässt und wie abgehackte Hände wieder angenäht werden. Eine Logopädin habe ihm geraten, beim Vorlesen "ruhig manchmal zu atmen", bekennt er. Aber dann wäre der Haas nicht mehr der Haas.