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Der Main bringt die Touristen


Autor: Klaus Schmitt

Zeil am Main, Donnerstag, 11. August 2016

Immer mehr Hotelschiffe legen in Zeil und Haßfurt an. Die wirtschaftliche Seite ist allerdings unterschiedlich. Eine Werbung für den Landkreis ist dieser Fremdenverkehr allemal.
Ein Hotelschiff kommt "um die Ecke": Auf dem Main nahe dem Haßfurter Hafen hat unser Fotograf René Ruprecht das Wasserfahrzeug "erwischt".


Klaus Schmitt

Die Kinder in Zeil freuen sich jedes Mal, wenn sie die besonderen Gäste in der Stadt sehen. Die Buben und Mädchen laufen im Caritasgarten oder auf dem angrenzenden Schulgelände zu den Gruppen, winken und rufen ihnen zu: Hallo, Hallo. Englisch ausgesprochen, denn die Besucher kommen häufig aus Übersee, aus den USA, Kanada oder Australien. Und die meist älteren Herrschaften freuen sich über die freundlichen Kinder, winken zurück und rufen ebenfalls: Hallo, Hallo (englisch ausgesprochen, meist mit amerikanischem Akzent).


Vom Schiff in den Bus

Seit einiger Zeit steigen amerikanische, kanadische und australische Besucher der Stadt - sowie natürlich auch Personen aus anderen Ländern - an der Haltestelle in der Krumer Straße aus ihren Bussen, um die Stadt Zeil zu erkunden. Direkt neben der Bushaltestelle liegt die Caritas-Mittagsbetreuung für die Grundschule Zeil. Die Erst- bis Viertklässler aus der Einrichtung sind es, die mit den Gästen über Zurufe und Winken gerne in Kontakt treten. Da können die Kleinen auch ihre ersten Fremdsprachenkenntnisse ausprobieren. Und wenn es nur ein Hallo ist.
Die Besucher kommen vom Zeiler Hafen. Dort haben sie vor wenigen Minuten ihr Hotelschiff verlassen, sind in den Bus gestiegen und soeben an der Bushaltestelle in der Krumer Straße ausgestiegen. Sie laufen an der Schule vorbei und besichtigen den "Zeiler Hexenturm", das vor einigen Jahren eröffnete Dokumentationszentrum, das über die schlimme Zeit der Hexenverfolgung in der Stadt in den Jahren von 1616 bis 1631 informiert. Rund 400 Bürger sind damals dem Hexenwahn zum Opfer gefallen, gefoltert und ermordet worden.
Wenn die Zeit noch reicht, schauen sich die Hotelschiff-Gäste auch noch den Zeiler Marktplatz und die Altstadt an, und manche Gruppe fahren mit den Bussen hinauf zum Zeiler Käppele, um einen Blick von oben auf die Stadt und das Maintal zu werfen.
Die Gruppen "haben ein durchgetaktetes Programm", weiß Beate Reinhardt, die in der Stadt Zeil vor allem für den Tourismus zuständig ist. Zeit für eine Einkehr oder fürs Einkaufen bleibt den Besuchern kaum. Zumal sie auf ihren schwimmenden Hotels mit Essen und Getränken ohnehin bestens versorgt werden. Sie lassen also nicht allzu viel Geld in der Stadt, vielleicht einmal für eine Flasche Wein oder ein Eis oder ein Andenken.
Aber den Werbeeffekt sollte man nicht unterschätzen, meint Beate Reinhardt. Die Touristen fotografieren viel und machen Zeil zum Beispiel in vielen Ecken Amerikas bekannt. Die Gruppen haben übrigens eigene englischsprachige Fremdenführer dabei, die ihnen auch das schwierige Kapitel der Hexenverfolgung erläutern. Diese Führungen haben Qualität, sagt Beate Reinhardt. Es sei "sehr gut recherchiert", was die Leute erzählt bekommen.
Auch wenn die Geschäftsleute in Zeil eher wenig von den meist zahlungskräftigen Touristen der Hotelschiffe abbekommen, profitiert die Stadt trotzdem. Die Schiffsbetreiber müssen nämlich Anlegegebühren für die Nutzung des Hafens am Main bezahlen. Das bringt Geld in die Kasse der Hafen Zeil GmbH, bestätigt Günter Bier, der Geschäftsführer der Gesellschaft und Leiter der Stadtwerke. Nach seiner Darstellung ist die Zahl der Hotelschiffe, die an der Zeiler Kaimauer festmachen, in den vergangenen Jahren "sprunghaft in die Höhe gegangen". Waren es laut Bier in den Jahren 2010 und 2011 noch etwa zehn bis zwölf solcher Schiffe jährlich, die Zeil anliefen, sind es mittlerweile 120 bis 130 Hotelschiffe pro Jahr. Allerdings wird der Zeiler Hafen nicht nur für Besichtigungen der Stadt angelaufen, sondern auch als Startplatz für Überlandfahrten mit den Bussen, die zum Beispiel in das nahe Bamberg führen.
Eine ähnliche Entwicklung wie in Zeil - mit noch höheren Zahlen - verzeichnet die Nachbarstadt Haßfurt. Waren es früher 50 bis 60 Hotelschiffe, die den Hafen in der Kreisstadt anliefen, schätzt Eva-Maria Schwach von der Tourist-Information Haßfurt deren Zahl heute auf rund 300 im Jahr. Die Situation in Haßfurt ist allerdings etwas anders als in Zeil. In Haßfurt gibt es keine Führungen. Die Touristen von den Hotelschiffen sind meist auf eigene Faust unterwegs. Sie nutzen teilweise die Gastronomie, kaufen in den Geschäften ein (freuen sich dabei laut Eva-Maria Schwach über die meist günstigen Preise) und kommen auch in die Tourist-Information.
Schwach: "Sie schauen sich unser Städtchen an und sind ganz angetan." Die Haßfurter Geschäftswelt hat etwas von den Besuchern, und die Stadt nimmt wie Zeil auch gerne den Werbeeffekt mit. Und noch eine Parallele zu Zeil: Die Hotelschiffe laufen Haßfurt auch aus dem Grund an, dass sie ihre Fahrgäste im Hafen absetzen und per Bus nach Bamberg bringen können. Oder umgekehrt: In Haßfurt gehen die Touristen an Bord, nachdem sie Bamberg besichtigt haben und per Bus aus der Domstadt nach Haßfurt gebracht worden sind.


Wirtschaftliche Bedeutung

Wie auch immer: Die Hotelschiffe, die auf dem Main durch den Landkreis Haßberge kreuzen, werden offenbar immer mehr, und sie haben eine wirtschaftliche Bedeutung. Jüngst beschäftigte sich auch die Industrie- und Handelskammer (kurz IHK) Würzburg-Schweinfurt mit dem Thema. Die IHK wertet den Tourismus als einen wichtigen Arbeits- und Wirtschaftsfaktor in der Region.
"Die Flusskreuzfahrt boomt. Im Jahr 2015 haben in Mainfranken rund 1750 Schiffe angelegt, noch vor zehn Jahren waren es 550 pro Jahr. Ein Zuwachs von mehr als 300 Prozent", sagte jüngst Sascha Genders, der IHK-Bereichsleiter Standortpolitik sowie Existenzgründung und Unternehmensförderung, bei einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer.
Dabei zeigte Helge H. Grammerstorf, Geschäftsführer IG River Cruise aus Basel, in seinem Vortrag unter der Überschrift "Wie viele Flusskreuzfahrten verträgt eine Stadt?" Möglichkeiten auf, wie Städte die Akzeptanz der Schiffstouristengruppen bei den Bürgern verbessern können: "Entscheidender Aspekt ist Qualität statt Quantität und eine Lenkung der Besucher durch kommunale Tourismus- oder Verkehrskonzepte", betonte Grammerstorf. Positiv seien die Potenziale für den Standort, gäben viele der Flusskreuzfahrttouristen hierzulande - pro Jahr werden in Deutschland über 420 000 Passagiere gezählt - doch deutlich mehr Geld aus als Tagestouristen.
Von diesen Besuchern würde gerne auch die Stadt Eltmann profitieren. Doch dort legen die Hotelschiffe (noch) nicht an. Diese Touristen "bringen schon etwas", weiß Wolfgang Tully von der Stadtverwaltung und bedauert, dass die großen Schiffe bisher nur vorbeifahren und die Wallburg nur von Deck aus sehen. Und nicht aus der Nähe.