Der Lauschangriff auf die Bamberger wird schwieriger
Autor: Rudolf Görtler
Bamberg, Dienstag, 12. Juli 2016
Rudolf Görtler Martin Neubauer hat Probleme. Nicht, dass seine Kreativität erlahmt wäre, seine Leidenschaft für vergessene Autoren erkaltet, das Besucherint...
Rudolf Görtler
Martin Neubauer hat Probleme. Nicht, dass seine Kreativität erlahmt wäre, seine Leidenschaft für vergessene Autoren erkaltet, das Besucherinteresse an seinem Minitheater nachgelassen hätte - nein, der Chronist sprachlicher Befindlichkeiten und Mentalitäten der Bamberger, der Materialsammler und Feldforscher im wohl zum langsamen Untergang verurteilten Reich des Dialekts, ist zu bekannt geworden für einen heimlichen Lauschangriff. Ein enttarnter Spion.
Das beklagt er in seinem bezeichnenderweise so genannten Programm "Lideradurzeuch", dargeboten mit dem kongenialen musikalischen Partner Heiko Triebener, seines Zeichens Solotubist der Bamberger Symphoniker.
Der fünfte Teil der erfolgreichen Reihe ist das nun schon, und der befremdliche Titel sei noch einmal erläutert: "Lideradur" ist das fränkisch-bambergische Pendant zu "Literatur", und mit "Lideradurzeuch" meinte ein Anrufer die Umtriebe Neubauers charakterisieren zu können bzw. zu müssen - das Duo Neubauer/Triebener verliebte sich gleich in das schöne Wort und macht seither allerhand Zeuch.
"Mach ka Zeuch!", sagt ja auch manch erstaunter Bamberger, der es aber nicht macht, wenn er Neubauers Dichterhaupt in der Nähe sieht, erfüllt von Furcht, im nächsten "Lideradurzeuch" zitiert zu werden. Was auch nicht schlimm wäre, denn der Dichter wahrt strikten Quellenschutz.
Und es wäre auch deshalb nicht schlimm, weil Neubauer und Triebener niemals mit dem bildungsbürgerlichen Zeigefinger auf die Bamberger weisen, mit dem geschmäcklerischen "Seht mal, die Deppen da unten!". Es ist ein liebevoller Blick, den der
gebürtige Bamberger Neubauer und der gebürtige Berliner und Wahlbamberger Triebener kultivieren, wenn auch gerade die Symphoniker, das hiesige Orchester von Weltrang, Stoff zu antibürgerlichen Sottisen ("Mir hom andära Kabelln aa nuch") geben. Ja, im Foyer des Konzertsaals trifft sich die örtliche Hautevolee gern; die Musik spielt da die zweite Geige.
Was man von den Kompositionen Heiko Triebeners nicht behaupten kann. Alternierend zu den (Kunst-)Stückchen seines Partners bläst er etwa das Frankenlied, nachdem Neubauer das "Och-naa"-Thema des Abends interpretatorisch deklamiert hat. Alte Bekannte tauchen auf in diesem Programm mit immer wieder neuen Nuancen. Den sprechenden Hund Berganza E.T.A. Hoffmanns kennt man, die Klage des klugen Tiers über dumme Theaterdirektoren taucht als Kritik am heutigen Regisseurstheater wieder auf.
Musik: Ouvertüre zur Oper "Undine". Eine längere Passage aus dem "Goldnen Topf" eröffnet gleich den Abend, und der Rezitator hat sich ein "Äpfelweibla"-T-Shirt gegönnt - ist doch der berühmte Türknauf nur wenige Meter vom Spielort entfernt. Eine Morgenstern-Variation ("Die Bierkirche") kommt vor mit Triebeners Medley "Bier her - Großer Gott, wir loben - Ein Prosit ..." und fast naturgemäß Ringelnatz: "Fußball nebst Abart und Ausartung".
Einzig "Der Oberaffe" des vergessenen Autors Franz Kyber zieht sich etwas lang, wofür das Lied des Affenkönigs aus dem "Dschungelbuch" entschädigt und eine George-Parodie über "die geilste Stadt der Welt". Dazu vereint Triebener Beethovens Schicksalssymphonie mit dem Walkürenritt und Chopins Trauermarsch. Chapeau!