Der "gute Ort" liegt versteckt
Autor: Pauline Lindner
Burghaslach, Dienstag, 15. Sept. 2015
Friedhof "Makom tov" heißen im Judentum Begräbnisstätten. Eine solche gibt es auch in Burghaslach. Dort fand sogar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine Urnenbeisetzung statt.
von unserer Mitarbeiterin Pauline Lindner
Burghaslach — Ein schmaler Pfad führt steil von der Mühlgasse den Berg hinauf. Befände sich nicht eine ältere Hinweistafel an der Scheune nebenan, fände der Fremde nicht so leicht den Weg zum Burghaslacher Judenfriedhof. "Wenn Sie zum Friedhof wollen, müssen Sie den Schlüssel im Rathaus holen", ruft ein älterer Mann aus dem Haus gegenüber. Wie sich später herausstellte, war das Fritz Höhn, der sich 25 Jahre lang um den Zustand des Areals gekümmert hat.
Der Weg endet vor einem Gittertor. Dahinter sieht man das restaurierte Tahara-Haus, in dem die jüdische Gemeinde Burghaslach ihre Toten vor der Bestattung wusch, eine Art Leichenhalle. Das kleine Gebäude liegt am höchsten Punkt des mit einer festen Mauer umgebenen "Makom tov" - wörtlich: der gute Ort, wie im Judentum Begräbnisstätten bezeichnet werden.
Zwischen dem Tahara-Haus und den ersten Grabsteinen erstreckt sich eine große Wiese. Der Burghaslacher Friedhof hätte noch vielen Toten Platz geboten. Es fällt auf, dass in den ersten Grabmalreihen Steine höchst unterschiedlichen Alters stehen: ziemlich verwitterte mit rein hebräischen Aufschriften und gut erhaltene, auf denen Sterbedaten aus den 20er- und 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu lesen sind.
"Der Friedhof wurde ziemlich zerstört", nähert sich Höhn den Besuchern. "Bei diesen Beerdigungen war ich dabei", fügt er an und weist auf die Steine mit den jüngsten Lebensdaten. Die letzte (reguläre) Bestattung fand im Jahr 1938 statt, nachdem der Friedhof von braunen Horden bereits geschändet worden war.
Der 90-jährige Höhn ist seit seiner Kindheit mit der jüdischen Geschichte Burghaslachs verbunden; er hat die letzten Jahre der Kultusgemeinde noch miterlebt. "Mit Ruth und Manfred Hammelburger, den Kindern des Religionslehrers, bin ich einige Jahre zur Schule gegangen."
Den letzten Wunsch erfüllt
Vorsichtige und wohlhabende Juden haben den Ort schon vor 1933 verlassen. Manche blieben ihm trotz aller erlittenen Schicksalsschläge verbunden. So das Ehepaar Rosenmann. Die 1978 verstorbene Ulla Rosenmann gehörte einem christlichen Bekenntnis an. Ihr sie um sieben Jahre überlebender Ehemann wünschte für sich und für sie die Bestattung auf dem Friedhof, auf dem auch sein Vater Jakob bestattet war. "Wir haben hier dann in aller Stille die Urnen der beiden begraben", erinnert sich Höhn. Höhn ist der Ansicht, Rosenmann hätte zuletzt in Nürnberg gelebt; Johann Fleischmann, der die Geschichte der jüdischen Gemeinden an Ebrach und Aisch akribisch erforschte, nennt dagegen Südafrika als Wohnort. Ein Grabstein aus dunklem Granit erinnert an die Familie Rosenmann, während alle anderen Steine aus dem örtlichen hellen Sandstein und in der traditionellen Form einer gerundeten Tafel gestaltet sind. Auf einigen sind Platten aus Marmor angebracht, sodass die Lebensdaten der Bestatteten noch gut zu lesen sind. Häufige Namen sind Guckenheim, Schapiro und Rosenblatt.
Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die stabile Mauer errichtet. "Bestattungen gab es schon früher hier", weist Höhn in den abschüssigen hintersten Friedhofsteil. 1775 gestatteten die Grafen von Castell die Anlage; vorher musste die jüdische Gemeinde ihre Toten weit auswärts, beispielsweise in Zeckern und Aschbach, bestatten.
Burghaslach hatte im 18. und 19. Jahrhundert sehr viele Bewohner jüdischen Glaubens. Ehe die Abwanderung in die Industriestädte begann, waren es ein Viertel der Einwohner, also einige hundert Personen, ergibt sich aus den Zahlen, die die Alemannia Judaica, eine Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum, auflistet. Dementsprechend gab es jüdische Einrichtungen: eine Synagoge ist aus den Jahren nach dem 30-jährigen Krieg belegt; eine Mikwe, das rituelle Tauchbad; und eine Elementarschule, die bis 1924 existierte.
1933 waren noch 60 Juden im Ort verblieben. Die Mehrzahl von ihnen wurde Opfer des Holocaust. Eine der bekanntesten Burghaslacher Jüdinnen ist Religionswissenschaftlerin Ruth Lapide, geborene Rosenblatt.