Druckartikel: Der Gesang fehlt

Der Gesang fehlt


Autor: Dieter Hübner

Trebgast, Dienstag, 22. Dezember 2020

Die Weihnachtsgottesdienste in den Kirchen den Landkreises werden heuer stiller sein. Wie empfinden das die Chorleiter?
Thomas Grünke an der Orgel der Trebgaster Johanneskirche, rechts seine Tochter Jenny.  Foto: Dieter Hübner


Musik und Gesang gehören von jeher zu Weihnachten. Gerade in diesem Jahr bräuchten wir sie vielleicht mehr denn je. In diesen schweren Zeiten wären sie Balsam für die Seele. Doch heuer ist alles anders: keine vollen Kirchen, kein Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach, keine schlichten und zugleich schönen Choralsätze. Wie gehen Kirchenmusiker damit um?

Thomas Grünke bedauert diese Situation sehr. Er ist seit 25 Jahren Organist der Trebgaster Markgrafenkirche. Derzeit spielt er im Gottesdienst ein Lied auf der Orgel und Pfarrer Peter Ahrens spricht den Text dazu. Für den Kirchenmusiker ist die Situation derzeit unbefriedigend. 1999 hat Grünke den Johanneschor übernommen, mit dem er - auch zusammen mit "seinem" Kulmbacher Kammerorchester - vielbeachtete Erfolge gefeiert hat. "Mit dem Orchester sind nach der Sommerpause zwar einige Proben gelaufen, in der Hoffnung, ein Konzert hinzubekommen. Aber die vielen Anforderungen, die auf den Veranstalter zugekommen wären, hätten wir nicht leisten können." Bei Chören seien ja die Regeln für Proben noch strenger als bei den Orchestern. "Je mehr wir in den Herbst gekommen sind, desto strenger wurden die Auflagen. Das Singen ist durch die Aerosole, die dabei ausgeatmet werden, risikoreicher als wenn jemand Geige spielt."

Kontakt per E-Mail

Um den Kontakt aufrechtzuerhalten, schickte der Chorleiter ab Mitte März fast jede Woche eine E-Mail an die Aktiven. Eine Planung für die gesangliche Ausgestaltung der nächsten Gottesdienste oder der Konfirmation im nächsten Frühjahr sei derzeit nicht möglich. "An Weihnachten soll es zuhause jedenfalls Musik im Rahmen der zulässigen Möglichkeiten geben", ist Thomas Grünke zuversichtlich.

Auch der Kulmbacher Dekanatskantor Christian Reitenspieß probte in der Petrikirche seit September wieder mit der Kantorei, der Seniorenkantorei, dem Vokalensemble und dem Kinderchor. Bachkantatenabend und Adventssingen mit weihnachtlicher Musik englischer Komponisten standen auf dem Programm, auch sollte es in diesem Corona-Jahr eine Silvestergala geben. "Nach und nach musste ich eine Veranstaltung nach der anderen streichen", sagt Reitenspieß. Auch er hat per E-Mail ständig Kontakt zu den Mitgliedern der Kantorei gehalten. Was während der zurückliegenden Monate geblieben sei, sei das Spiel auf der Rieger-Orgel. "Das war das einzige Lebenszeichen der Kirche nach dem Lockdown", resigniert er fast schon ein wenig.

Regionalkantor Wolfgang Trottmann sieht das etwas anders. Auch wenn Kirchenmusik derzeit nur auf Sparflamme stattfinden kann: Für ihn als Organisten und Kantor an der katholischen Kulmbacher Hauptkirche Unsere Liebe Frau hat sich nicht so viel geändert. "Es ist fast schon Glück im Unglück, dass die Kirchen in der Regel ein Instrument besitzen, das mühelos ein halbes Orchester ersetzen kann. Wir haben den Schatz unserer Orgeln."

Den Chor der katholischen Kulmbacher Pfarrgemeinden leitet Sabine Behr. "Der Lockdown Mitte März hat uns alle mit voller Wucht getroffen", sagt sie. Für uns waren von heute auf morgen keine Chorproben im Pfarrsaal mehr möglich. Die Auftritte zur Karfreitagsliturgie und zu den Osterfesttagen wurden gestrichen. Der musikalische Terminkalender war plötzlich "einfach leer".

Ende Juni 2020 das erste richtige Aufatmen: "Das Singen wird begrenzt wieder möglich sein. Halleluja!" Für sie als Chorleiterin habe eine mathematische Zeit begonnen: "Ist der Pfarrsaal eigentlich groß genug, wenn jeder Chorsänger zum anderen mindestens zweieinhalb Meter Abstand halten muss, wenn die Sänger nur frontal und auf Lücke sitzen dürfen, wenn die erste Reihe zur Chorleitung drei Meter Abstand braucht?" Schon bald sei klar gewesen, dass ein gemeinsames und gleichzeitiges Singen im gewohnten Stil mit allen Stimmlagen nicht mehr möglich war.

Am 30. August habe der Cantora-Chor endlich wieder die Gottesdienste in St. Hedwig und in Unsere Liebe Frau musikalisch mitgestaltet. "Die Erleichterung der Sänger und die Freude der Gottesdienstbesucher waren deutlich spürbar. Doch wurde der Chor wieder durch Corona ausgebremst", erinnert sich Behr. Trotz Schutzkonzept und Abstand hätten im September nach einer positiven Testung einige Chorsänger inklusive Chorleiterin zwei Wochen in Quarantäne gehen müssen.

"Weihnachten findet statt!"

Mit dem fast schon trotzigen Slogan "Weihnachten findet statt!" Mit diesem fast schon trotzigen Spruch würden derzeit die Kirchen in Bayern werben. Dazu sagt Sabine Behr: "Denken wir zurück: Das erste Weihnachtsfest in Bethlehem fand unter wesentlich schwierigeren Bedingungen statt - und viele andere Weihnachten danach auch."