Der exklusive Geschmack
Autor: Markus Häggberg
Lichtenfels, Freitag, 30. November 2018
Markus Häggberg Neuerdings bin ich melancholisch und vermisse eine Zeit, die ich selbst nie miterlebt habe. Ich bin Jahrgang '71 oder wie ich immer so gerne sage: Es war ja nach dem Krieg damals - wir...
Markus Häggberg Neuerdings bin ich melancholisch und vermisse eine Zeit, die ich selbst nie miterlebt habe. Ich bin Jahrgang '71 oder wie ich immer so gerne sage: Es war ja nach dem Krieg damals - wir hatten ja nix. Was ich aber hatte, war schon immer so ein Riss im Plätzchen und eine ernsthafte Liebe zur Musik.
Am liebsten wäre ich bei Woodstock dabei gewesen und beim Monterey Festival zwei Jahre vorher. Das Jahr 1970 war leider schon der Anfang vom Ende, denn es starben ja Janis Joplin und Jimi Hendrix. Mein Geburtsjahr hielt auch Licht und Schatten parat, denn einerseits wurde der Song "Stairway to heaven" geboren, aber dafür starb leider auch Jim Morrison.
In dieser Zeit halte ich mich geschmacklich oft auf. Und im Barock bei Johann Sebastian Bach. Die Goldenen Zwanziger waren musikalisch aber auch nicht schlecht, auf jeden Fall aufregend und interessant. In die Zukunft bewege ich mich allerdings weniger, da ich ihr musikalisch nichts zutraue.
Noch heute erinnere ich mich liebend gerne daran, wie ich vor 25 Jahren mit meinem damals besten Freund nach dem Training Musik im Auto hörte, zumeist Kassetten, die man noch selbst aufgenommen hatte, um den anderen von der exklusiven Klasse des eigenen Geschmacks zu überzeugen. Der andere überzeugte zurück und am Ende war der Horizont wieder um grandiose Songs erweitert.
So brachte mir mein Kumpel die experimentellen Sachen der Beatles nahe, so schwärmte ich ihm von Pavlov's Dog vor. Diese 70er-Band hatte es mir immer angetan, denn der Sänger besaß diese stimmliche Mischung aus Falsett und Vibrato. Männer halten das aus, aber Frauen finden solche Männerstimmen zumeist abscheulich und unerträglich. Kurioserweise hatte ich den Tipp zu dieser Band von einem total soliden Menschen, einem echten Beamten aus dem hiesigen Landratsamt. Wir waren damals befreundet und obgleich er ein Bausparer war, hatte er ein Faible für schräge Bands. So lieh er mir Ende der 80er zu treuen Händen die Platte dieser Band.
Mann, jeder Song war ein Hammer, grandios instrumentiert, fantastisch im Ausdruck und in der Melodieführung. Und die Mythen um die Band erst. Angeblich habe sich der Sänger seine Stimme mit dem regelmäßigen Gebrauch von Helium kultiviert. Angeblich sei er aber auch daran gestorben und nun konnte der Sänger so oft auftreten, wie er wollte, die Legende, wonach er tot sei, wurde dadurch nicht beschädigt.
Was diese Band noch so besonders macht, ist ihre relative unverdiente Erfolglosigkeit. Oder wie schrieb mal ein weltweit bedeutendes Musikfachmagazin: "Die beste Band, die es beinahe geschafft hätte." Wen immer ich auch auf die Existenz dieser Band ansprach, der wusste von nix, hatte den Namen nie gehört oder ganz weit hinten im Gedächtnis. Na ich war jedenfalls stolz auf meinen exklusiven Geschmack und konnte es nicht glauben, als ich im vergangenen Jahr davon erfuhr, dass diese US-Band mit dem untoten Sänger in Franken auftreten wird. Sollte ein Traum wahr werden? Würde mein Leben doch noch einen Sinn bekommen? Mann, wie oft hatte ich ihre wenigen LPs gehört, wie verträumt wurde ich zu ihren Liedern, wie seriös spielte ich dazu Luftgitarre, verzog dazu das Gesicht und wie sehr wünschte ich dieser Band den seit Jahrzehnten überfälligen verdienten Erfolg.