Der Bierschnegel ist zurück
Autor: Redaktion
Wingersdorf, Freitag, 22. Juli 2016
Die extrem seltene und vom Aussterben bedrohte Nacktschnecke ist wieder aufgetaucht. Experten stufen den in einem ausgemusterten Bierkeller in Wingersdorf gemachten Fund als kleine Sensation ein.
Zum ersten Mal seit 22 Jahren ist in Bayern wieder ein Bierschnegel entdeckt worden. Die ungewöhnliche gelbe Nacktschnecke mit den blauen Fühlern ist tatsächlich nach ihrer Vorliebe für alte feuchte Gewölbe, wie es sie in traditionellen Bier- und Vorratskellern gibt, benannt. Der mancherorts auch Kellerschnecke genannte Bierschnegel gilt in Deutschland als vom Aussterben bedroht (Rote Liste Kategorie 1), denn mit moderner Lagertechnik sind intakte alte Kellergewölbe selten geworden.
In den letzten Jahren gab es deutschlandweit nur wenige Nachweise. In Nordbayern gab es im 20. Jahrhundert lediglich vier, der letzte davon 1994 in Coburg. Entdeckt wurde das besondere Exemplar zufällig von einem Aktiven des Landesbunds für Vogelschutz (LBV), als dieser in Wingersdorf (Lkr. Bamberg) einen zum Abriss freigegebenen Bierkeller auf Fledermäuse kontrollierte.
"Diese Entdeckung ist eine kleine Sensation und selbstverständlich wird sich der LBV nun darum kümmern, den Bestand zu schützen und zu erhalten", so LBV-Artenschutzreferent Andreas von Lindeiner.
Die Naturschützer werden deshalb den Keller und seine Umgebung vor dem Abriss gründlich absuchen und mögliche weitere Tiere retten, um sie gegebenenfalls in anderen Kellern in der Nähe wieder auszusetzen. "Bereits im letzten Jahr haben wir bei einem Projekt nachgewiesen, dass in und um zahlreiche fränkische Bierkeller eine große biologische Artenvielfalt existiert", berichtet von Lindeiner.
Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet des Bierschnegels, Limacus flavus, lag wahrscheinlich in Südeuropa. Zeitweise war die Art aber in fast ganz Europa bis nach Dänemark und Südschweden zu finden.
Als Kulturfolger galt der Bierschnegel als Schädling in Obst- und Gemüselagern, denn die bevorzugte Nahrung sind Karotten, Rüben, Kartoffeln sowie andere stärkehaltige Pflanzenteile, aber auch Rinde und abgestorbene Pflanzen. Die meisten Vorkommen in Deutschland sind erloschen. Nach sorgfältiger Suche konnten aber im Nordosten sowie in Niedersachsen Bierschnegel gefunden bzw. Restvorkommen bestätigt werden. Sehr selten kann man Bierschnegel außerhalb feuchter Gewölbe im Freiland in Gärten, an Gebäuden oder Mauern beobachten, wo die Tiere nachts umherkriechen.
Die Grundfarbe des 75 bis 100 Millimeter langen Bierschnegels (ausgestreckt) ist meist gelblich bis orange, Jungtiere können auch grünlich gefärbt sein. Der Körper ist fast immer mit einem feinen Muster aus hellgrauen Flecken ohne Binden oder Längsmuster bedeckt.
Über die weiße Unterseite (Sohle) wird farbloser Sohlenschleim abgesondert, auf dem sich die Schnecke bewegt. Der Körperschleim ist dagegen gelb. Charakteristisch sind die blauen bis blaugrauen Fühler. "Diese Farbkombination macht den vom Aussterben bedrohten Bierschnegel unverwechselbar", weiß Andreas von Lindeiner.
Zurückgebildetes Gehäuse
Schnegel zählen zu den Landlungenschnecken und tragen kein offensichtliches Gehäuse. Es ist aber ein sehr stark zurückgebildeter Gehäuserest vorhanden, der jedoch vollständig unter dem Mantel verschwindet. An der Lage des Atemlochs in der hinteren Hälfte des Mantels (etwas abgesetzter Teil auf dem vorderen Rücken) lassen sie sich als Schnegel erkennen. Bei den Wegschnecken hingegen, die allgemein als Nacktschnecken bekannt sind, liegt das Atemloch in der vorderen Hälfte.
Schnegel weisen zudem einen leichten Kiel, oft mit hellem "Aalstrich", auf dem Schwanz auf. Eine viel bekannter Schnegelart ist der Tigerschnegel, Limax maximus, auch Tigernacktschnecke genannt, der auf hellem, beigem Grund ein Muster aus dunklen, in Längsreihen verlaufenden Flecken trägt. "Im Gegensatz zum seltenen Bierschnegel sind Tigerschnegel weit verbreitet und häufig in Gärten und an Mauern zu finden", erklärt der Biologe.