Druckartikel: Der Baukultur auf der Spur

Der Baukultur auf der Spur


Autor: Simone Bastian

Coburg, Freitag, 20. Mai 2016

 Die Ketschenvorstadt ist das leuchtende Vorbild, wie es gelang, durch Stadtsanierung eine Entwicklung anzustoßen. Das will die Stadt im Steinweg wiederholen - und setzt auf die Hilfe aller Beteiligten.


Andere Kommunen organisieren eine Veranstaltung zum Tag der Städtebauförderung. Coburg macht gleich Baukulturwochen daraus. "Das ist bayernweit einmalig - alle Achtung und Kompliment", sagte Oberfrankens Regierungspräsidentin Heidrun Piwernetz am Mittwochabend im "Schlick 29". Bei diesem Gebäude handelt es sich um den Häuserkomplex der ehemaligen Fleischerei Schlick mit Ladengeschäft im Steinweg und Konservenfabrik zum Lohgraben hin. Die Wohnbau Stadt Coburg (WSCO) hat Laden und Wurstküche in Coburgs "neue Kultlocation" umgewandelt, wie WSCO-Geschäftsführer Christian Meyer stolz feststellte.
Die farbig illuminierte Kultlocation gibt bis Ende Juni den Spielort ab für die Veranstaltungen der Baukulturwochen. Schon währenddessen und erst recht danach dient sie als zentraler Begegnungsort in Sachen "Sanierung Steinwegvorstadt". Jetzt beginnen - ebenfalls im Zuge der Baukulturwochen - die vorbereitenden Untersuchungen, an deren Ende das Sanierungskonzept für das Stadtquartier steht. Bürgerbeteiligung ist dabei ausdrücklich erwünscht - nicht nur, wenn es um das Konzept für die Steinwegvorstadt geht, sondern beim Thema Baukultur generell. Darauf verwiesen Professor Mario Tvrtkovic (Hochschule) und Lutz Wallenstein (Architekturtreff Coburg). Hochschule und Architekturtreff sind die Partner, mit denen Wohnbau und Stadt die Baukulturwochen organisiert haben, mit einer Ausstellung, Vorträgen und Diskussionen.


Erbe und Zeitgenössisches

Nur - was ist "Baukultur"? "Sie beschränkt sich nicht auf Architektur", sagte Oberbürgermeister Norbert Tessmer (SPD), der auch die Schirmherrschaft über die Baukulturwochen übernommen hat. Regierungspräsidentin Piwernetz sprach vom "Standortfaktor Baukultur", der ins Zentrum der Wahrnehmung gerückt werden solle. Allein Coburg habe über 1000 Baudenkmäler.
Professor Michael Pötzl, Präsident der Hochschule Coburg und selbst Bauingenieur, nannte es wichtig, dass über Baukultur öffentlich diskutiert wird: "Die Entwicklung passiert bei den Menschen", Coburg habe Nachholbedarf in Sachen zeitgenössischer Architektur, und es sei zu wünschen, dass der "Beirat für Baukultur" als beratendes Gremium wiederbelebt werde. Die Stadt hatte diesen Beirat aus Kostengründen wieder abberufen.
Der Begriff "Baukultur" rufe bei fast allen Menschen bestimmte Bilder hervor, meinte Marta Doehler-Bezahdi, Geschäftsführerin der Internationalen Bauausstellung (IBA) Thüringen. Meist liege der Fokus auf der historischen Bausubstanz, dem Bau-Erbe, "aber zeitgenössisches Bauen muss man auf jeden Fall mit ansprechen". Die IBA Thüringen wird bis 2023 Modellprojekte entwickeln, vom Bauen im ländlichen Raum bis zur Umgestaltung der Städte. Eins davon ist die Umgestaltung des Güterbahnhofs in Sonneberg, bei dem auch die Hochschule Coburg beteiligt ist, wie Michael Pötzl sagte.


Beteiligung möglichst vieler

Professor Tvrtkovic nannte die Diskussion über Baukultur eine "Aufgabe für die ganze Zivilgesellschaft", Lutz Wallenstein hofft darauf, dass die breite öffentliche Diskussion über Bauen und geplante Projekte in der Stadt Leserbrief-Schlagzeilen wie "Entscheidung über die Köpfe hinweg" überflüssig macht.
Am Schlusspunkt der gut sechs Baukulturwochen steht eine Diskussion zum Thema "Wer plant die Stadt (Mittwoch, 29. Juni, 19 Uhr). Dass es anderorts manchmal gar keiner großen Diskussionen oder Reden bedarf, damit Einwohner sich ihrer Städte oder zumindest leerstehender Gebäude annehmen, zeigte Sally Below auf. Sie hat ein Büro in Berlin und befasst sich seit Jahren mit neuen Formen der Stadtentwicklung.
"Für mich ist Baukultur etwas, was man machen kann", sagte sie und schilderte Beispiele aus Meerseburg, Dessau und Halberstadt, wo Schüler und Studenten die Initiative ergriffen, um leerstehende Gebäude umzunutzen und damit ganze Viertel zu beleben.