Der Attentäter wider Willen
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Bamberg, Montag, 20. Juli 2020
In einem Gedenkmarsch zu Ehren von Claus und Nina von Stauffenberg führt heute Nachmittag der Historiker Erwin Sternadl auf sechs Stationen durch Bamberg. Nach dem gescheiterten Staatsstreich war der Offizier in der Nacht auf den 21. Juli 1944 hingerichtet worden.
Am 20. Juli jährte sich zum 76. Mal der Jahrestag des gescheiterten Attentats des Claus Graf Schenk von Stauffenberg auf Diktator und Reichskanzler Adolf Hitler. Wer war dieser Mann, der zum Attentäter wurde? Ein "Verräter", oder doch ein "Held"? Entsprang seine Tat einer "kleinen Clique ehrgeiziger Offiziere", wie Hitler am 21. Juli öffentlich sagte und damit eine NS-Legende prägte. Und was war der Preis dieser Tat, die Stauffenberg sich und anderen damit aufbürdete? Eine Spurensuche dieser Geschichte führt auch in die Domstadt Bamberg, in der er mit seiner Ehefrau Nina und seinen fünf Kindern lebte.
"Es lebe das heilige Deutschland!", lauteten die letzten Worte, die Stauffenberg am frühen Morgen des 21. Juli im Bendler-Block sprach, ehe er und einige Mitstreiter standrechtlich erschossen wurden. Sie markieren das Ende der "Operation Walküre", einem Plan, den Reichsführer Hitler zu töten und so die Staatsgewalt an sich zu reißen. Der Sprengsatz, den er bei einem Treffen der Obersten Heeresleitung am 20. Juli in der Wolfsschanze deponierte, erwies sich als zu schwach und die Vorbereitungszeit als zu kurz. Als die Bombe um 12.42 Uhr detonierte, überlebte dies Hitler nur leicht verletzt. Vier Menschen starben, neun wurden schwer verwundet. Über 200 Menschen sollten der Rache der Nazis zum Opfer gefallen sein.
Bis dieser Entschluss, Hitler zu töten, reifte, vergingen Jahre. Jahre der Entfremdung. Geboren wurde der Graf am 15. November 1907 in Jettingen und entstammte einem schwäbisch-fränkischen Adelsgeschlecht. Der Namensbestandteil Schenk verweist auf eine ehemalige Stellung am Hof. Hinzu kam, dass der junge Stauffenberg mit dem Dichterkreis George und dessen elitären Vorstellungen von Nation, Verantwortung und Gemeinsinn sympathisierte, was ihn für den Nationalsozialismus und dessen Vorstellungen der Volksgemeinschaft und Führertum empfänglich machte. 1926 entschied er sich daher auch für eine Laufbahn beim Militär und trat als Fähnrich dem 17er-Reiterregiment in Bamberg bei. An dessen Ende stieg er bis zum Oberstleutnant auf.
Glückliche Jahre in Bamberg
1930 lernte er in Bamberg seine Ehefrau Nina Freiin von Lerchenfeld kennen. Sie gehörte einem bayerischen Adelsgeschlecht an und besuchte zu dieser Zeit ein Bamberger Lyzeum. Die folgenden Jahre waren die glücklichsten der beiden. Wie viele heutige Jugendliche hat Stauffenberg das Schlenkerla, die Keller und die Weinlokale in Bamberg aufgesucht, in der Regnitz ein Bad genommen und ist zur Altenburg gewandert. 1933 heiratete das Paar in der Jakobskirche im Berggebiet.
Aus ihrer Ehe, die aufgrund der Tätigkeit Stauffenbergs in Berlin eher einer Wochenendbeziehung glich, entsprangen fünf Kinder. Nach dem Attentat wurde die gesamte Familie in Sippenhaft genommen. Erst nach Kriegsende kam die Familie am Wohnsitz in der Schützenstraße 20 in Bamberg wieder zusammen. Die Ehefrau verstarb im Jahr 2006 im Alter von 92 Jahren in Kirchlauter. Sie hatte bis wenige Jahre vor ihrem Tod kontinuierlich in Bamberg gelebt.
"Mein Großvater war kein Attentäter" lautet der Buchtitel von Sophie von Bechtolsheim, geb. 1968. Die Historikerin und Kommunikationswissenschaftlerin lebt und arbeitet als Mediatorin in Uffing am Staffelsee. Darin heißt es: "Die Persönlichkeit meines Großvaters lässt sich nicht darauf reduzieren, Attentäter gewesen zu sein. Er entspricht nicht dem Typus, unter dem wir uns den Attentäter schlechthin vorstellen, seine Geisteshaltung, seine Lebensleistung zusammenzuschnüren und sein ganzes Leben auf die Tat am 20. Juli 1944 hin zu stilisieren, wird ihm nicht gerecht."
Vom Saulus zum Paulus
Dem stimmt im Großen und Ganzen auch der Diplom-Historiker und Politikwissenschaftler Erwin Sternadl zu. "Der Oberst und Graf wandelte sich vom Saulus zum Paulus. Letztlich war er doch Attentäter. Der Wahrheit wegen muss man offen sagen: Der Oberst und Graf war erst glühender Anhänger Hitlers und marschierte bei Machtübernahme am 30. Januar 1933 begeistert an der Spitze seiner Soldaten durch Bamberg. Claus Schenk war Attentäter wider Willen. Erst der desaströse Vernichtungsfeldzug im Osten und Hitlers maßlose Kriegspolitik zwangen den Adeligen zur Revision seiner Ansichten."