Druckartikel: "Denkmalfans" lieferten Meisterstück

"Denkmalfans" lieferten Meisterstück


Autor: Bettina Knauth

Seßlach, Montag, 16. März 2015

baukultur  Aus einem alten Wohn- wird ein modernes Gästehaus. Denkmalschützer freuen sich über die gelungene Sanierung eines Leerstands in Seßlach. Am kommenden Sonntag wird das Gebäude als "Filiale" des Pörtnerhofs eröffnet.
Voll des Lobes waren die Vertreter des Landesamts für Denkmalpflege wie des Landratsamts Coburg, Linda Ketterer, Martin Brandl, Siegfried Roos, Martin Burgsmüller, Ingo Rickhaus und Ralph Wöhner (linkes Foto, v. r.) bei der Besichtigung des künftigen Gästehauses des Pörtnerhofs in der Pfarrgasse. Die Fassade des neuen Gästehauses in der Pfarrgasse (rechtes Foto) dokumentiert mit der Farbwahl die Verbundenheit mit dem Pörtnerhof.  Fotos: Bettina Knauth


von unserer Mitarbeiterin Bettina Knauth

Seßlach — "In Seßlach hat sich eine Szene von Denkmalfans entwickelt. Diese engagierten Bürger sorgen dafür, dass diese Stadt Jahr für Jahr schöner wird", sagte Martin Brandl vom Landesamt für Denkmalpflege bei einem Besuch. Einer dieser "Denkmalfans", die Leerstand und Verfall in der historischen Altstadt bekämpfen, ist Ingo Rickhaus.
Wer die alten Fotos in der Toreinfahrt des Restaurants Pörtnerhof mit dem heutigen Aussehen des Innenhofs samt Kulturscheune vergleicht, sieht sofort: Hier hat sich ein ehemals verfallendes Anwesen in ein Schmuckstück verwandelt. 2013 erwarben Ingo Rickhaus und seine Frau Gabriele in der Pfarrgasse ein weiteres, nicht mehr genutztes Anwesen und ließen es von Bauingenieur Martin Burgsmüller zum Gästehaus umbauen. "Ich möchte Besitzern anderer historischer Häuser Mut machen und zeigen, wie aus etwas Altem mit neuzeitlicher Technik und Dämmung etwas individuell Neues entstehen kann", sagt Rickhaus. Für den Diplomingenieur stellt sich die Frage nicht, ob sich die Herausforderung einer denkmalgerechten Sanierung lohnt: "Das einmalige Altstadtensemble ist es allemal wert, an die Anforderungen modernster Lebensqualität angepasst zu werden", ist der 74-Jährige überzeugt.

Neun Tonnen Bauschutt

Allein neun Tonnen feuchter Erde und Beton wurden bei den Bauarbeiten aus dem Keller entfernt. Dort ist nun der Anschluss für das Seßlacher Fernwärmeheizwerk untergebracht. Die Bauarbeiten sind fast abgeschlossen. Wie einzigartig die Sanierung gelungen ist, davon konnte sich Denkmalschützer Brandl mit Vertretern des Landratsamts überzeugen. "Jeder Raum hat einen gewissen Pfiff, seinen eigenen Charakter", lobte Brandl. Den Bauherren zollte Brandl ebenso Respekt wie dem Bauleiter. Die Wünsche der Familie Rickhaus seien vom "denkmalaffinen Architekten" Burgsmüller im Einklang mit bestehenden Strukturen - "und nicht gegen die Substanz" - umgesetzt worden.
Mit lokalen Handwerkern meisterte der Bauingenieur selbst große Herausforderungen wie die Sicherung und Neudeckung des verschobenen Dachstuhls und das Abstützen der südlichen Giebelwand, die auf einem unsicheren Träger stand. Burgsmüller ließ das Fachwerk ausbessern, die Außenwand innen dämmen, im Obergeschoss eine Wand- und im Erdgeschoss eine Fußbodenheizung verlegen sowie Fenster und Fußböden passend zum Altbau erneuern. Außerdem konzipierte der 52-Jährige die Strom-, Wasser- und Abwasserführung komplett neu. Es musste ja für jedes der fünf Doppelzimmer ein eigenes Bad eingebaut werden.
Die geräumige Nasszelle für das "Brauhauszimmer" im Erdgeschoss etwa entstand in der früheren Küche. "Ich habe versucht, das ursprüngliche Flair des Gebäudes, die Raumwirkung, zu erhalten und daran die neue Nutzung behutsam anzupassen", erläutert Burgsmüller, der ein Zusatzstudium in Denkmalpflege absolvierte.

Ein Blickfang an der Decke

Das schönste Beispiel der geretteten Stuckdecken begutachten die Besucher im "Prachtzimmer": Als Blickfang ziert dort ein vergoldetes Jesus-Monogramm die Deckenmitte. Einbauten und historische Türen blieben wie die Haustür nach Aufarbeitung erhalten. Wandflächen wurden ebenfalls lediglich überarbeitet.
Burgsmüller hat sich ebenfalls intensiv mit der Geschichte des Fachwerkhauses beschäftigt: Es wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erbaut und rund 200 Jahre lang von der Familie Fuchs bewohnt. Landwirt Josef Fuchs betrieb auch die Stadtschmiede am Ende der Pfarrgasse. Seine Enkelin Emma Ludwig war bis zu ihrem Tod 2008 die letzte Bewohnerin.
Mit dem Gästehaus verdoppelt der Pörtnerhof sein Übernachtungsangebot; dass beide Häuser zusammen gehören, dokumentiert die gemeinsame, auffallend rote Fassadenfarbe.