Das Ringen um Freiheit endet nie
Autor: Marion Krüger-Hundrup
Bamberg, Donnerstag, 25. Sept. 2014
vernissage Vor 25 Jahren fiel der "Eiserne Vorhang". 25 Menschen aus dem ehemaligen "Ostblock" erzählen in einer Foto-Ausstellung im Klinikum am Bruderwald über ihr bewegtes Leben vor, während und nach der Wende.
von unserer Mitarbeiterin
marion Krüger-Hundrup
Bamberg — Erinnern Sie sich noch an den dramatischen Herbst 1989? An den Freudentaumel, den der Mauerfall in Ost wie West auslöste? "Für viele Menschen ist die Geschichte erschreckend selbstverständlich geworden", bedauert Pater Stefan Dartmann, Hauptgeschäftsführer von "Renovabis".
Gegen diese Geschichtsvergessenheit setzt das katholische Osteuropa-Hilfswerk die Foto-Ausstellung "25 Jahre - 25 Köpfe", die jetzt im Klinikum am Bruderwald eröffnet wurde: von Pater Dartmann, mit Grußworten von Bürgermeister Christian Lange (CSU) und Chefpathologen Professor Gerhard Seitz, der sozusagen als "curator localis" fungiert.
Er hat gemeinsam mit Michael Kleiner, Leiter des Referates Weltkirche im Erzbischöflichen Ordinariat, die Ausstellung nach Bamberg geholt.
Der Journalist Rolf Bauerdick war für Renovabis in fünf Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas unterwegs. Er traf Zeitzeugen der Wendejahre und ließ sich von ihnen ihre persönlichen Erinnerungen schildern. Bauerdick porträtierte in Bild und Text 25 Protagonisten der Zeit vor, während und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs.
Gesamteuropäisches Ereignis
Damit lenkt er im Erinnerungsjahr 2014 den Blick auf persönliche Schicksale: "Wir begegnen Menschen und sehen ihnen ins Auge", umschreibt Pater Dartmann dieses "Story-Telling" über das gesamteuropäische Ereignis Mauerfall.
Dieses könne nicht in politischer Analyse erzählt werden, sondern in Schilderungen, "die die Erinnerung lebendig halten". Denn eine bedeutsame Lehre aus den Geschehnissen vor 25 Jahren laute noch heute: "Für Freiheit ist immer ein Preis zu bezahlen."
Der Pole Bogdan Lis zum Beispiel hat als aktives Mitglied der Solidarnosc-Bewegung am eigenen Leib erfahren, welch hohes Gut Freiheit ist. Mit der Verhängung des Kriegsrechts 1981 "wurde ich von Polizei und Miliz gesucht, musste in den Untergrund abtauchen und alle zwei Wochen die Wohnung wechseln, 1984 verriet mich ein Spitzel in einem Dorf in der Kaschubei. Ich wurde verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Insgesamt drei Jahre", gab Bogdan Lis für die Ausstellung zu Protokoll.
Der 52-Jährige weiß auch 25 Jahre nach radikaler Veränderung der politischen Landkarte: "Ob im Sozialismus oder im Kapitalismus, das Ringen um die Freiheit endet nie."
"Mauern werden immer höher"
Auch Ruzena Kavkova, Caritas-Direktorin im tschechischen Bistum Litomerice (Leitmeritz), weiß in ihrer täglichen Arbeit um die Brüchigkeit der Freiheit. Denn "die Hoffnungsträger der samtenen Revolution, die Vorkämpfer für Gerechtigkeit und Freiheit sind längst verschwunden. Sie wurden verdrängt von korrupten Parteien, in denen die Postenschieberei unerträglich geworden ist. Die Sorge unserer Caritas gilt jenen Menschen, die von der Politik und auch von Teilen der Kirche nicht wahrgenommen werden, die Alten und Obdachlosen, die Flüchtlinge, vor allem die Roma.
Sie sind die Verlierer der Freiheit, die Mauern zwischen den Ethnien werden immer höher."
Edgar Vulpe aus der Republik Moldau will als Ständiger Diakon Brücken bauen: "Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Während sich die Alten oft nostalgisch im Gestern verlieren, fehlt der jungen Generation eine Vision für die Zukunft, die sie im Land hält", beklagt Vulpe die Auswanderungswelle aus seiner Heimat.
Seine Landsmännin Rodica Negura leitet ein Tageszentrum für alte Menschen in Chisinau: "Unter unseren Gästen sind viele gebildete Akademiker, Lehrerinnen, Ärzte oder Ingenieure. Sie waren zu Sowjetzeiten respektierte Leute, die einigermaßen gut verdient haben.
Nach der Wende fielen sie in ein Loch, weshalb manche die kommunistischen Zeiten wieder herbeisehnen", hat Rodica Negura dem Journalisten Bauerdick diktiert.
Die 25 Porträtierten haben allesamt davon berichtet, wie schmerzhaft vielfach der Transformationsprozess verläuft. Wie die enttäuschten Verlierer der Wende nur mit Mühe die positiven Neuansätze und Verbesserungen wahrnehmen können. So wie etwa die 55-jährige Marusha in Oxentea (Moldawien), die sagt: "Unser Leben ist besser. Aber gut ist es nicht."
Viele Beziehungen in den Osten
Bamberg hat seit jeher viele Beziehungen in den Osten. Darauf machte Bürgermeister Lange aufmerksam: Kaiser Heinrich und sein Schwager Stefan von Ungarn, die Gärtner und das polnische Posen, die tschechische Partnerstadt Prag, die vielen Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, die nach 1945 in der Stadt integriert wurden.
/> Da gab sich Professor Seitz philosophisch, indem er George Santayanas bekannten Spruch zitierte: "Wer sich der Vergangenheit nicht erinnert, ist dazu verurteilt, sie noch einmal zu erleben."
Renovabis-Chef Dartmann knüpfte daran an: Die Geschichte sei noch nicht abgeschlossen und die Freiheit nach wie vor gefährdet, wie etwa derzeit in der Ukraine. Genau diesem Krisenherd widmeten Vladimir Steba am Klavier und Viola Kutznetzova-Fabretti mit Gesang und Tanz ihre besondere Aufmerksamkeit: Sie erfreuten die Vernissage-Besucher mit ukrainischer Volksmusik. Und machten mit russisch vorgetragenen Einlagen ein grenzüberschreitendes Friedensangebot.
Die Foto-Ausstellung ist bis zum 9. Oktober im Foyer des Klinikums am Bruderwald, Buger Straße, zu sehen.