Druckartikel: Das Märchen vom Unbekannten

Das Märchen vom Unbekannten


Autor: Manfred Wagner

Haßfurt, Montag, 13. Juli 2015

Prozess  Das Haßfurter Amtsgericht verurteilte einen 20-Jährigen zu einer Geldauflage, weil er der Polizei nach einem Unfall in Ebern die Unwahrheit aufgetischt hatte. Ein Sachverständiger und Zeugen entlarvten die erfundene Geschichte.


von unserem Mitarbeiter Manfred Wagner

Haßfurt/Ebern — Als die beiden jungen Leute nach einer durchzechten Nacht mit ihrem Auto einen Unfall bauten, wollten sie die Schuld von sich abwälzen und erfanden den unbekannten Dritten, der am Steuer gesessen haben soll. Diese faule Ausrede gibt es, seit es die Polizei gibt. Durch ein Sachverständigengutachten konnte diese Angabe zweifelsfrei widerlegt werden, und der damals 18-jährige Beifahrer muss nun 500 Euro Strafe bezahlen - wegen Vortäuschens einer Straftat.
Bei der Verhandlung vor dem Jugendgericht am Amtsgericht in Haßfurt ging es um einen Vorfall vom 30. Mai 2013, also vor über zwei Jahren. Damals fuhren die zwei befreundeten jungen Männer aus dem Kreis Haßberge im Audi des Angeklagten nach Bamberg, um richtig einen drauf zu machen. Die ganze Nacht wurde durchgezecht, es war schon gegen sieben Uhr in der Früh, als man sich endlich zur Heimfahrt entschloss.

Dann krachte es

Es war laut Polizeibericht fünf Minuten vor acht, als es in Ebern krachte: Der Audi hatte einen geparkten Nissan gerammt. Schnell alarmierten Anwohner die Ordnungshüter, die wenig später zur Stelle waren. Als die reichlich alkoholisierten Zecher gefragt wurden, wer denn gefahren sei, erfanden sie die Mär vom unbekannten Dritten.
Jugendrichter Martin Kober erläuterte, wie man den Märchenerzählern auf die Schliche gekommen war. Zum einen hatten Passanten genau gesehen, dass nur die beiden Burschen im Auto waren, zum anderen nahm ein vom Gericht bestellter Gutachter nach dem Unfall das Fahrzeug genau unter die Lupe. Anhand von textilen Faserspuren, die er am Lenkrad und Armaturenbrett gefunden hatte, konnte der Sachverständige zweifelsfrei nachweisen, dass der Kumpel des Angeklagten den Wagen gesteuert hatte. In der Folge wurde gegen den Fahrer ermittelt und dieser erhielt im April 2014 wegen Alkohol am Steuer und Gefährdung des Straßenverkehrs eine Jugendstrafe.
Der nun Angeklagte hatte auf dem Beifahrersitz gesessen und dort seinen Rausch ausgeschlafen. Er wusste demnach definitiv nicht, wer gefahren war. Weil er damals aber der Polizei gegenüber den angeblichen Unbekannten angegeben und damit bewusst gelogen hatte, musste er sich nun wegen Vortäuschens einer Straftat verantworten.
Staatsanwalt Arno Ponnath forderte in seinem Plädoyer eine Geldstrafe von 800 Euro. Verteidigerin Jessica Gralher hielt einen geringeren Betrag für ausreichend. Sie wies darauf hin, dass ihr Mandant sowohl den Schaden am eigenen wie auch an dem fremden Fahrzeug tragen musste - insgesamt rund 7500 Euro.
Jugendrichter Martin Kober verhängte eine Strafe von 500 Euro. Diese Auflage, erklärte der Vorsitzende, sei "eher im unteren Bereich angesiedelt." Dies wurde damit begründet, dass die Tat schon eine erhebliche Zeit zurückliegt und dass sich der inzwischen 20-Jährige in Lohn und Brot befindet. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.