Das "Dorfleben" wird "seziert"
Autor: Reinhard Löwisch
Mostviel, Samstag, 11. Mai 2019
Zu einem Perspektivenwechsel zwingt das Projekt in der Mostvieler "Kunstmühle" den Betrachter.
Noch nie wurde einem so deutlich vor Augen geführt, was es heißt, auf dem Land zu leben, im fiktiven "Mühlendorf" einer "Supermaschine" - dem Dorfcharakter und dessen Ritualen und Lebensrhythmus - ausgeliefert zu sein. Ein soziales Miteinander unterschiedlichster Menschen, das das eigene Leben letztendlich mitbestimmt. Egal, welche Richtung eingeschlagen wird, ist die "Supermaschine" in Form der Dorfbevölkerung und ihrer althergebrachten Lebensweise schon da. Sie begleitet, führt und zeigt, wo die Fahrt (das eigene Leben) hinführen wird, wenn man auf alles und jeden vor Ort Rücksicht nimmt.
Unter Leitung der renommierten Gastprofessorin Ellen Blumenstein (Schwerpunkt: Theorie und Praxis des Ausstellens) aus Berlin setzten zehn Studenten der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg das Thema "Leben auf dem Dorf" in der ehemaligen Mostvieler "Kunstmühle" in einer Kunstaktion um.
Für die Dorfgemeinschaft stehen zehn Bewohner, die durch je eine Maschinenmetapher (Sozialmaschine, Kriegsmaschine, Liebesmaschine usw.) repräsentiert werden. Valerie Sufflesser aus Gröden in Südtirol baute beispielsweise eine "Psychomaschine", bestehend aus einem spiralförmigen Eisengestell, das mit roter dünner Folie verkleidet und mit einem roten "Lebensfaden" versehen ist, der immer mal wieder von einer Made (das Unbekannte) oder von den eigenen Wünschen unterbrochen oder abgelenkt wird.
Zu sich selbst finden heißt hier die Parole, sich selbst erkennen und fördern und nicht auf die Außenwelt hören. Und sollte man ein psychisches Problem entdecken, "dann meiden Sie sofort jegliche Gesellschaft" empfiehlt die Studentin auf einem handgeschriebenen Zettel neben der Maschine.
Verfremdung
Gehört man eher zu den aktiven Menschen, dann sollte man ein kleines Zelt neben der Psychomaschine aufsuchen und mit lauter Stimme solche Sätze sprechen, die man selbst schon immer hören wollte. Die Worte werden sofort aufgezeichnet und mit kindlicher Stimme auch sofort wiedergegeben, was die gesagten Sätze irgendwie lächerlich wirken lässt und die meist überhebliche Selbsteinschätzung ad absurdum führt.
Die Ausstellung ist nicht einfach zu konsumieren. Man sollte sich etwas in die Thematik einarbeiten und sich ein Stück weit auch gehenlassen, damit die In stallationen und Performances auch ihre Wirkung entfalten können.
Für Siegfried Sennft ist die Kunstausstellung "ein besonderes Ereignis", das der "Kunstmühle", in der früher Mehl für Backwaren gemahlen wurde "als Ort eigentlicher Kunst" eine neue Bestimmung gibt. Er erinnerte sich an erste Vorgespräche zur Ausstellung, die schon vor zwei Jahren begannen und den Anstoß gaben, für die alte Mühle eine neue Nutzung zu finden.