Das Auto macht unabhängig
Autor: Pauline Lindner
Höchstadt a. d. Aisch, Montag, 02. Mai 2016
Damit auch ältere Menschen sich noch selbstständig und sicher im Straßenverkehr bewegen können, bietet die Gebietsverkehrswacht Höchstadt ein Training für Senioren an. Es handelt sich um ein Pilotprojekt in Bayern.
Sieben Personen zwischen 66 und 83 Jahren sitzen im Höchstadter Kommunbrauhaus. Siggi Nürnberger von der Gebietsverkehrswacht bespricht mit ihnen verschiedene Verkehrszeichen, auf ihren Wunsch beispielsweise den Unterschied zwischen einem Kreisverkehr mit der Regelung, dass Fahrzeuge im Kreis die Vorfahrt haben, und optisch ähnlichen Straßenführungen, bei denen rechts vor links gilt.
Das ist der Einstieg in das erste Seniorenfahrtraining der Verkehrswacht. Das gibt es schon länger in Niedersachsen und ist dort erfolgreich. Die Höchstadter sind die Testfahrer für Bayern. "Sicher unterwegs, wenn man älter wird" ist als Motto vorgegeben.
Mit einem Vorurteil räumt Nürnberger sofort auf: Senioren sind nicht übermäßig in Unfälle verwickelt. An den rund 900 Verkehrsunfällen im Höchstadter Raum waren 65 Senioren beteiligt, aber nur 40 schuldhaft.
Trotzdem halten alle sieben Teilnehmer ein erneutes Fahrtraining für sinnvoll. "Ich möchte wieder auf dem neuesten Stand der Theorie und Praxis sein, vor allem bei neuen Verkehrschildern", nennt Hermann Groß (77) als sein Ziel bei der Teilnahme.
Nach einer halben Stunde geht es raus ins Gelände, genauer: auf den Freibadparkplatz. Dort warten auf die Senioren die Fahrlehrer Heike Striegel, Reimund Kuhle und Peter Fischer. Zudem ist dort ein "Hütchen"-Parcours für Slalom- und Rückwärtsfahren aufgebaut. Dazu noch sind etliche Einparksituationen mit den Plastikteilen simuliert.
Der erste Testfahrer ist Erwin Baier (74). Er fährt nicht mehr viel, und wenn, dann Kurzstrecken. Mit ein paar Tipps von Fischer hat er trotz allem die Aufgaben gemeistert. "Das Einparken ging einigermaßen", sagt er beim Aussteigen.
100-prozentig sicher habe er sich aber nicht mehr gefühlt.
Probleme beim Einparken sieht auch Hubertus Brunk (75). Allerdings wird ihm zugute gehalten, dass er mit einem überlangen Caddy angetreten ist. "Ansonsten bin ich mit mir zufrieden", urteilt er über seine Fahrleistung. "Ich gehe generell zu solchen Kursen; man kann immer noch was dazulernen", sagt ein Mann, der in seinem Fahrerleben allein auf dem Motorrad 350 000 Kilometer hinter sich gebracht hat.
Der Kreisel ist kein Kreisel
Währenddessen sind drei "Fahrschüler" mit Heike Striegel durch Höchstadt gefahren. "Gerade das Fahren durch Höchstadt-Süd war lehrreich", meint Peter Schramm, mit 66 das Küken des Kurses. Neu für ihn war, dass der Kreisel vor der Grundschule Süd gar keiner im Sinne der Straßenverkehrsordnung ist. "Da darf man rechts oder links vorbeifahren", nimmt Schramm mit nach Hause.
Ihm hat die Sache Spaß gemacht, nicht zuletzt auch deshalb, weil er sich nicht gedrängt fühlte. "Es war genug Zeit, da ging nichts hoppla-hopp." Auch Fahrlehrerin Heike Striegel ist mit ihren Seniorschülern sehr zufrieden. "Ich musste kein einziges Mal ins Pedal oder Lenkrad greifen." Dass sie wirklich defensiv fahren, hebt sie besonders heraus, habe sie doch manchmal bei jungen Führerscheinanwärtern ihre liebe Mühe, das zu vermitteln. Ein spezielles Problem von älteren Ehepaaren diskutiert die Gruppe noch. Es sei in dieser Generation gar nicht so selten, dass Frauen, die jahrelang keine Routine mehr hatten, nun plötzlich der alleinige Fahrer sind, weil der Partner aus gesundheitlichen Gründen ausfällt. Gerade ihnen empfehlen sie einmütig den Kurs, weil man hier mit einem erfahrenen Partner an der Seite sich selbst einschätzen und verlorene Fahrpraxis zurückgewinnen könne. Darüber sind sich alle einig: "Der Führerschein bedeutet ein großes Stück Unabhängigkeit, auch dann oder besonders dann, wenn es mit Laufen oder Radeln nicht mehr so klappt."