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Damit das Leben weitergeht


Autor: Anja Greiner

Bad Staffelstein, Dienstag, 21. April 2015

Therapie  Eine Selbsthilfegruppe für krebskranke Frauen: Die Staffelsteinerin Elisabeth Espach hat vor sieben Jahren eine solche Gruppe gegründet. Die Krankheit selbst steht bei den Treffen nicht im Mittelpunkt, es gibt Wichtigeres.


von unserem Redaktionsmitglied Anja Greiner

Bad Staffelstein — In der Regel, sagt Elisabeth Espach, lebe jeder gerne. Manchmal muss nur daran erinnert werden, warum.
Elisabeth Espach sitz an ihrem Küchentisch in ihrem Haus in Bad Staffelstein und strahlt eine gewisse Ruhe aus. In der Art wie sie spricht, wie sie sich bewegt. Sie erzählt davon, wie sie vor sieben Jahren eine Selbsthilfegruppe für krebskranke Frauen gründete. Eine Gruppe nur für Frauen, das war so beabsichtigt. Männer, sagt Elisabeth Espach, arbeiten anders. Sachlicher, nüchterner.
Die jüngste Frau ist Mitte 30, die älteste Anfang 70. Der Großteil ist an Brustkrebs erkrankt. Im Schnitt sind acht Frauen bei einem Treffen dabei.
Die Gruppe trifft sich einmal im Monat, jeder Abend steht unter einem bestimmten Motto. Die Themen bereitet Espach vor, mal geht es um gesunde Ernährung, mal um Klangschalentherapie, mal lädt sie Referenten ein, mal machen sie Lachyoga.
Es geht nie nur um die Krankheit, das Menschsein steht im Mittelpunkt. "Alter, Beruf, Sozialer Hintergrund, das alles spielt keine Rolle", sagt Espach.
Die Krankheit ist es, die die Frauen verbindet, aber sie definiert sie nicht.
Elisabeth Espach war 48 Jahre, als bei ihr der Krebs entdeckt wurde. Damals, sagt sie, galt sie noch als jung für den Krebs. Das war vor zehn Jahren. Als bei einer Routineuntersuchung eine Verdickung in ihrer Brust entdeckt wurde, geschah erstmal nichts. Eine Talgansammlung, hieß es.
Ein halbes Jahr später war die Verdickung immer noch da. Eine Woche später wurde Espach operiert. Es folgten Bestrahlung, Chemotherapie und Reha. Sie dachte damals öfter, was hab ich falsch gemacht? Was kann ich ändern? Heute ist sie gelassener geworden, vermeidet Stress, sagt öfter mal nein.
In einem Gesprächskreis der Psychoonkologie am Klinikum in Lichtenfels hat Elisabeth Espach damals Martina Kneipp kennengelernt. Kneipp war ebenfalls an Brustkrebs erkrankt.
Zwei Jahre später gründen sie die Selbsthilfegruppe "Balance". Der Name ist Programm: es soll darum gehen, wieder ins Gleichgewicht zu kommen, sagt Espach. Seit fünf Jahren ist die Gruppe nun Mitglied in der bayerischen Krebsgesellschaft, erhält dadurch finanzielle Unterstützung. Am 11. Mai feiern sie ein kleines Jubiläumsfest.
Ganz am Anfang, bei der Gründung vor sieben Jahren, wurden sie von Anneliese Stadler unterstützt. Sie leitete den Gesprächskreis in dem sich Espach und Kneipp damals kennenlernten.
Anneliese Stadler ist Psychoonkologin am Klinikum Lichtenfels. Als 2003 die Deutsche Krebsgesellschaft die ersten Organkrebszentren zertifizierte, wurde eine entsprechende Psychoonkologie Pflicht an den Kliniken. "Es ist zunehmend klar geworden, dass die körperliche Belastung nur ein Bereich ist", sagt Anneliese Stadler. In der Psychoonkologie geht es kurz gesagt darum, den Patienten die Lebensqualität zurückzubringen.
Stadler ist Psychologin, für den Job am Klinikum hat sie eine medizinische Zusatzausbildung gemacht. Darin, sagt sie, unterscheide sie sich von den niedergelassenen Psychotherapeuten.
Am Klinikum ist sie seit acht Jahren, die erste überhaupt, sie hat begonnen, als das Darmkrebszentrum gegründet wurde.
Kommt ein neuer Krebspatient, geht Stadler zu ihm ins Zimmer, stellt sich vor und merkt meist sofort, ob jemand ihre Unterstützung möchte oder nicht. Die meisten wollen.
Den Weg in die Selbsthilfegruppen, den finden die Betroffenen meist viel später, "wenn alles anfangen sollte, sich zu normalisieren", sagt Stadler.
Für die Betroffenen ist die Krankheit oft nicht mit der Genesung vorbei. Von Außenstehenden werde das oft nicht mehr gesehen.
Manche, sagt Stadler, hätten Angst vor solchen Gruppen, sie befürchten das würde sie noch mehr runterziehen. Dabei passiere das Gegenteil: man stütze sich gegenseitig. In den Selbsthilfegruppen, sagt Stadler, werde nicht bagatellisiert, es werde aber auch nicht dramatisiert. Jeder der in einer solchen Gruppe ist, weiß worum es geht. "Wer es nicht erlebt hat, kann es nicht nachvollziehen", sagt Espach.
Manchmal kann aber auch eine Gruppe nicht mehr weiterhelfen. Eine Frau aus ihrer Gruppe, erzählt Elisabeth Espach, sei nicht mehr gekommen, als bei ihr erneut Krebs diagnostiziert wurde. Sie hatte die anderen nicht belasten wollen.