Druckartikel: Damalige Bedrohung ist heute vergessen

Damalige Bedrohung ist heute vergessen


Autor:

Haßfurt, Montag, 17. Februar 2020

Fünf Jahrzehnte ist es her, dass der Main auf eine seither nicht mehr erreichte Höhe gestiegen ist. Ein verrostetes altes Schild kündet noch von einer einstigen Katastrophenlage. Die Spurensuche im Zeitungsarchiv erinnert an Winter, die den Namen Winter verdienten.
Den Main hielt im Februar 1970 nichts mehr in seinem Flussbett, das Hochwasser flutete den Tränkberg, so dass der heutige Großparkplatz (damals gab es ihn nicht) in den Fluten versunken wäre. Foto: Eckehard Kiesewetter


Haßfurt — Alles im Griff, reguliert, kanalisiert? Inwieweit der Mensch Naturphänomene beeinflussen kann, ist eines der wichtigen Themen in der Klimadebatte. Dass sich aber Naturgewalten nicht bändigen lassen, erweist sich immer wieder mit drastischen Folgen.

Dass Tauwetter in unseren Breiten katastrophale Ausmaße erreichen könnte, vermag man sich heutzutage kaum mehr vorzustellen. Erst recht nicht im Ausklang eines nahezu komplett schneelosen Winters, wie in der Saison 2019/20.

Vor 50 Jahren, ein halbes Menschenleben, war das anders: In Haßfurt zeugt eine verblichene, verrostete Hochwassermarke davon, welche Urgewalten sich wegen der Schneeschmelze und starker Regenfälle im Februar 1970 aufbauten. Es war ein nicht alltägliches Hochwasser, der Volksmund nutzt gerne den Begriff Jahrhunderthochwasser, das mit einem Höchststand von 7,20 Metern über dem Normalmaß des Mains bis nah an den Tränkberg heranreichte. Dort wo heute hunderte von Autos parken, wären diese - hätte es den Platz damals gegeben - bis zur Dachkante unter Wasser gestanden.

"Gemeinden und Fluren wurden zu Wasserwüsten", titelte der FT am 24. Februar 1970. FT-Berichterstatter Hein Vogel aus Zeil hatte die "Brennpunkte" dieses Hochwasserereignisses zusammengetragen. Über das Wochenende schmolz der Schnee, dazu kamen starke Regenfälle. Und so drangen nicht nur stärkere Wassermassen aus Richtung Bamberg über den Main ins Kreisgebiet, auch die Bäche und Flüsse aus dem Haßgau-Bereich transportierten über Altach, Riedbach und Nassach sowie aus dem Bereich Steigerwald mit dem Böhlbach die Massen zum Fluss, der daraufhin in der Nacht ungeahnte Höhen erreichte.

Straße und Rathaus unter Wasser

Unter Wasser stand da am Sonntag nicht nur der Römershöfer Fußballplatz, sondern um 18 Uhr habe die Straße zwischen Haßfurt und Hofheim komplett gesperrt werden müssen, beschreibt unser Berichterstatter. Sie dauerte den Montag über an. "Das Hochwasser nahm schließlich solche Formen an, daß lediglich die neuerbaute Nassachbrücke, die den Ortsteil in Richtung Uchenhofen mit dem Hauptortsteil Sylbach verbindet, aus dem Wasser ragte. Der Zugang zum Rathaus, das unter Wasser stand, war nicht mehr möglich." Das Sylbacher Rathaus stand seither des öfteren im Hochwasser, aber damals war's besonders schlimm.

Sonntag gegen 22 Uhr war dann auch der Sander Wörth nurmehr eine Insel, die Straßen zwischen dem Altort und nach Zeil waren überflutet. Heute erklärt uns der Hochwassernachrichtendienst für den Main, dass der Pegel Trunstadt bei 4,80 Meter über normal stehen muss, damit dies sechs Stunden später in Sand der Fall ist. Und es erklärt ganz gut die Hochwasserlage seinerzeit, in der offenbar die Hauptwassermassen eher im Gebiet des heutigen Landkreises angefallen sein dürften.

Hein Vogel berichtet etwa, dass in Kirchaich am Ortseingang von Richtung Trossenfurt her die Staatsstraße durch das Hochwasser der Aurach überflutet wurde. Am Montagfrüh war schließlich selbst die B 26 östlich von Augsfeld "wo die Wässer von der Hohen Wann hereindrückten und viele Felder überfluteten, halbseitig überschwemmt, so daß eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 40 km/h festgesetzt wurden mußte. Gegen 7.30 Uhr hatten die Wässer, die aus den Weinbergen kamen, die B 26 oswärts von Ziegelanger unweit des Café-Restaurants Mainperle überflutet". In Dippach blockierten nach einem Bergrutsch wegen Dauerregens an der Kreisstraße (ehemals B 26) Schlamm und Geröll die Einfahrt zur damals neuen B 26 (Umgehung).

Ja schlimmer noch: "Die Ebelsbacher Kläranlage im Süden der Bahnlinie Schweinfurt-Bamberg stand am Montag früh gänzlich unter Wasser. Die Baustelle der neuen Mainbrücke bei Eltmann versank förmlich in der braunen Flut...". Die Westspitze der Mainhalbinsel war fast nicht mehr zu sehen.