Coburgerin feiert zwei Geburtstage
Autor: Gabi Bertram
Coburg, Freitag, 09. August 2019
Vor 30 Jahren wurde Renate Schmiedel eine Spenderniere implantiert. Es ist ihr und den Freunden von der Selbsthilfegruppe bewusst, dass eine so lange Funktionsfähigkeit des eingesetzten Organs etwas Besonderes ist.
Was für ein wunderschöner Tag! Freunde und Wegbegleiter bringen Blumen und kleine Geschenke. Renate Schmiedel aus Coburg hat Geburtstag, einen ganz besonderen.
Der 8. August 1989, genau 30 Jahren her, hat Renate Schmiedels Leben verändert. Sie hat damals eine neue Niere bekommen. Eigentlich sei sie an diesem Tag noch einmal geboren worden, sagt sie. Nicht nur für sie, sondern auch für Gudrun Bauer, die ehemalige Pflegedienstleiterin im Dialysezentrum Coburg, und für die ganze Selbsthilfegruppe, ist dieser Tag ein "super Highlight". Es ist äußert selten, dass ein Patient 30 Jahre mit einer Spenderniere lebt, in Bayern gibt es wohl nur diesen einen Fall.
Am Tisch, an dem das Leitungsteam der Selbsthilfegruppe Nierenerkrankte mit Silvia und Peter Finzel, Marion Böhle und Gudrun Bauer sitzen, wird viel gelacht an diesem 30. Geburtstag der 53-jährigen Renate Schmiedel. Der "normale" Geburtstag war am 5. Juli 1966. Sie habe wohl schon als Kind Schrumpfnieren gehabt, meint Renate. Aber erst ein Verdacht auf Blinddarmentzündung im Alter von 21 Jahren habe die bittere Diagnose gebracht: beidseitige Niereninsuffizienz. Das bedeutete Dialyse, dreimal in der Woche. Und während immer gemahnt wird, man solle nur genug trinken, war es bei Renate völlig anders: Wenn sie eine Apfelschorle getrunken hatte, musste sie sich schon genau überlegen, ob sie auch noch eine Suppe essen konnte oder ob das schon wieder zu viel Flüssigkeit wäre. Gudrun Bauer, die sie über Jahrzehnte begleitete, ihr immer wieder Mut zusprach, weiß, was Dialysepatienten durchmachen. Die Hoffnung, an die sie sich klammern, ist ein Spenderorgan. Renate Schmiedel wurde nach vielen Untersuchungen und Tests auf die Warteliste von Eurotransplant in Leiden gesetzt. Und sie wartete über zwei Jahre. Der erlösende Anruf kam am 8. August 1989 und erwischte Renate Schmiedel in der Wefa in Ahorn, wo sie arbeitete.
Sie musste dann ganz schnell reagieren. Mit dem Taxi nach Hause, ein paar Sachen gepackt und ab nach Nürnberg ins Transplantationszentrum. Nach einer nochmaligen Dialyse, weil die Werte nicht optimal waren, bekam Renate Schmiedel im Sanitätsauto auf der Fahrt nach Erlangen die Kühltasche mit dem lebensrettenden Spenderorgan auf den Schoß gestellt. "Ich war total aufgeregt, fix und fertig, im Wechselbad der Gefühle zwischen Angst und Hoffnung", erzählt sie.
Wieder Zittern und Bangen
Nach der Operation wurde sie von Erlangen wieder nach Nürnberg gefahren. Und wieder begann das Zittern und Bangen. Bei den beiden anderen transplantierten Patienten funktionierte die neue Niere, nur bei ihr nicht - noch nicht. "Literweise habe ich Pfefferminztee getrunken, und dann endlich ging das Pinkeln."
Und das alles war vor 30 Jahren. "Unglaublich", meint Gudrun Bauer, "eine Sensation." Spenderorgane funktionierten normalerweise zehn bis 15 Jahre, erklärt sie. Es gebe nicht viele Patienten mit einer Spenderniere, die über 30 Jahre arbeitet, bestätigt auch Dr. Patrick Biggar, Leitender Oberarzt im Regiomed-Klinikum Coburg, der Renate Schmiedel seit 20 Jahren kennt und sie "ein kleines Juwel" nennt. Auch wenn die Freude bei den Patienten über das Spenderorgan fast überschäume, gebe es auch viele Risiken, dämpft Biggar die Erwartungen. "Ein bisschen Roulette ist schon dabei", sagt er. Die Dialyse sei keine Alternative, sondern knallharte Wirklichkeit mit Problemen, sehr belastend. "Die Maschine wird Teil von dir, du bist nicht mehr einfach nur du." Die Hoffnung, die Erwartung der Patienten, nach der Transplantation wieder ein eigenständiges Leben führen zu können, sei riesengroß. Aber wie schwer es ist, das alles durchzustehen, werde oft auch unterschätzt.
Für Renate Schmiedel war das Spenderorgan ein Glücksfall, ja, wie ein Sechser im Lotto. Den Spender kennt sie nicht, weiß nur, dass es wohl ein Motorradunfallopfer war. Sie spricht oft in der Selbsthilfegruppe über ihre Gedanken. Überhaupt ist die Selbsthilfegruppe für Menschen mit Nierenerkrankungen, Dialysepatienten, Transplantierte und Angehörige - im Mai 2014 gegründet - so etwas wie ein Hort für Renate Schmiedel und die anderen insgesamt rund 50 Mitglieder. Regelmäßig treffen sie sich, tauschen Erfahrungen aus, machen sich gegenseitig Mut, besprechen Probleme des Alltags, freuen sich, wenn es einer geschafft hat, und trösten bei Rückschlägen.