Bürgerschreck und Symbolfigur
Autor: Stephan Stöckel
Kulmbach, Freitag, 13. März 2020
Ulrich Chaussy hat seine Rudi-Dutschke-Biografie vorgestellt. Das Attentat auf den Studentenführer wirft viele Fragen auf.
Rudi Dutschke war die Symbolfigur der 68er-Bewegung. Der in konservativen Kreisen als Bürgerschreck verschriene Studentenführer war aber auch eines der ersten Opfer rechter Gewalt im Nachkriegsdeutschland. Dutschke-Biograf Ulrich Chaussy aus München beleuchtete das Umfeld des Attentates mit seinen geistigen Brandstiftern, die den Nährboden bereiteten für die schreckliche Tat einer in Justizkreisen als "verwirrter Einzeltäter" beschriebenen Person.
Der Referent zog Parallelen zu den rechtsradikalen Gewalttaten der vergangenen Jahre und daraus eine wichtige Lehre: "Man muss dafür sorgen, dass aus hasserfüllten Worten keine mörderischen Taten werden."
Interview weckt Interesse
Der Kulmbacher Freundeskreis der evangelischen Akademie Tutzing und der Kulmbacher Literaturverein hatten den Dutschke-Experten zu einer Lesung in das Martin-Luther-Haus eingeladen. Als junger Journalist hatte er wenige Monate vor dem überraschenden Tod Dutschkes am 24. Dezember 1979 mit dem einstigen Revoluzzer, der gerade begonnen hatte, sich bei den Grünen zu engagieren, ein Interview geführt.
Die Unterhaltung weckte das Interesse an dem Mann, der in diesem Jahr 80 Jahre alt geworden wäre. Es folgten Gespräche mit seiner Familie, mit Zeitzeugen und die Auswertung von Dokumenten in Archiven. Seine umfangreichen Recherchen boten ihm Stoff für zwei Bücher über die 68er Ikone: "Die drei Leben des Rudi Dutschke" (1983) und "Rudi Dutschke. Eine Biographie" (2018). Aus Letzterem las er den rund 30 Zuhörern vor.
Zunächst widmete er sich einem Kapitel im Leben Dutschkes, das ein Schattendasein fristet: seine Jugendjahre in der DDR. Chaussy zeichnete das Bild eines Jugendlichen, der im real existierenden Sozialismus aneckte. "Der pazifistische Wurm steckt in der Abiturklasse 12 A, in der drei Schüler aus der Reihe tanzten." Einer von ihnen war Rudi Dutschke, der mit der Wiederbewaffnung der DDR nicht einverstanden war.
Die Quittung für sein aufmüpfiges Verhalten bekam der christlich geprägte Kriegsdienstverweigerer im Juli 1958 mit seinem Abiturzeugnis: Statt einer verdienten "Zwei" ist die Gesamtnote auf "Drei" heruntergestuft. Obendrein bescheinigte ihm der Schulleiter auch noch "eine inaktive gesellschaftliche Haltung an den Tag gelegt" zu haben. Sein Traum vom Studium zerplatzte zunächst wie eine Seifenblase.