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Bürger rüsten auf


Autor: Petra Malbrich

, Dienstag, 05. Januar 2016

Im Landkreis wurden 2015 zweieinhalb Mal so viele Anträge für den kleinen Waffenschein gestellt wie im Vorjahr. Unter anderem ist das Interesse junger Leute an Waffen wieder gestiegen.
Verkaufsschlager Pfefferspray: Bis zu 600 Prozent mehr wird derzeit nachgefragt. Foto:Archiv


und Peter Groscurth

Die Franken verspüren ein gesteigertes Bedürfnis nach Sicherheit. Immer mehr holen sich Pfeffersprays und Schreckschusspistolen ins Haus. Waffenhändler aus der Region gehen Gesprächen nicht erst seit dem Vorfall in der Silvesternacht in Unterschleichach, als eine Elfjährige durch ein Kleinkaliberprojektil getötet wurde, aus dem Weg. Aber Fakt ist, dass Privatkunden vermehrt kaufen, was an frei verkäuflichen Waffen und Verteidigungsmitteln angeboten wird.
Kein Blatt vor dem Mund nimmt der Verband deutscher Büchsenmacher und Waffenhändler (VDB). "Das persönliche Sicherheitsbedürfnis in der Bevölkerung ist enorm gestiegen", sagt Ingo Meinhard vom VDB. Der Absatz an frei verkäuflichen Verteidigungsmitteln habe sich heuer im Schnitt verdoppelt, einige Geschäftsleute verkauften gar die vierfache Menge. Vor allem nach den Terroranschlägen von Paris gebe es mehr Menschen, die Waffengeschäfte aufsuchen und sich dort beraten lassen. "Die Leute erklären, sie würden sich unsicher fühlen", so Meinhard.
Das bayerische Innenministerium bestätigt einen Zuwachs bei der Erteilung der sogenannten Kleinen Waffenscheine, die dazu berechtigen, dass man Schreckschusswaffen mit sich führen darf. Ende Oktober 2015 gab es laut Statistik 46 690 solcher Berechtigungen - 3161 mehr als noch ein Jahr zuvor. Über die Gründe, die zu dieser Zunahme führten, schweigt das Ministerium.


Erhöhtes Sicherheitsbedürfnis

Das Landratsamt Erlangen-Höchstadt hingegen nennt verschiedene Varianten, mit denen die starke Zunahme der beantragten Waffenscheine begründet werden kann. Zum einen hätten Jugendliche, die älter als 18 Jahre alt sind, wieder mehr Interesse an Waffen, was auch am gestiegenen Interesse am Jagen ersichtlich sei. "Andererseits haben die Menschen ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis aus verschiedenen Gründen", sagt Hannah Reuter, die Pressesprecherin des Landratsamts. Den Schutz vor Übergriffen nennt sie als Beispiel.
Auch im Landkreis Erlangen-Höchstadt ist die Zahl der Anträge enorm gestiegen. Waren es 2014 nur 27 Kleine Waffenscheine, die beantragt wurden, ist die Zahl 2015 auf 75 gestiegen. Abgelehnt wurde keiner der Anträge. Gründe, um einen kleinen Waffenschein zu beantragen, müssen nicht angegeben werden. Allerdings muss der Antragssteller Auskunft über sich hinsichtlich persönlicher Zuverlässigkeit oder der Eignung geben. Die Mitarbeiter des Landratsamts holen dann zusätzlich an den verschiedenen Stellen Personenauskünfte ein.
Der Kleine Waffenschein gilt unbefristet, ist aber auf andere Personen nicht übertragbar. Hatte der nun verstorbene Opa eine Waffe zu Hause, kommen oft die Hinterbliebenen und geben die Waffe ab. Im Landratsamt wird sie in die Waffenkammer gesperrt, informiert Hannah Reuter.
Noch etwas muss der Besitzer des Kleinen Waffenscheines wissen: Er berechtigt nicht zum Schießen. Oder zumindest nur mit Einschränkung. Auf dem eigenen, eingezäunten Grundstück darf die Waffe eingesetzt werden, ansonsten wird zusätzlich eine Schießgenehmigung der Unteren Waffenbehörde gefordert.
Jemand, der an Silvester auf der Straße seine Waffe ohne diese Genehmigung abfeuert, verstößt gegen das Waffengesetz. Die Polizei würde die Waffe zunächst sicherstellen und mit einer Anzeige an die Staatsanwaltschaft übergeben. Diese entscheidet dann, ob sie eingezogen wird.
Peter Schall ist bayerischer Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, er meint zur Aufrüstung privater Haushalte: "Hier kann es durchaus sein, dass die Bürger glauben, sich gerade nachts mal wehren zu müssen. Es ist ja nun selbst auf dem Land so, dass Fremde ins Blickfeld rücken, da die Flüchtlinge flächenmäßig verteilt werden müssen."
Auch wenn die polizeilichen Statistiken das nicht bestätigen, scheint das Sicherheitsgefühl bei manchen beeinträchtigt. Ursache dafür sind nach Meinung von Peter Schall die vielen bösartigen Einträge in sozialen Netzwerken, mit denen massiv Stimmung gegen die Flüchtlinge gemacht und Kriminalität herbeigeschrieben werde. "Genau diese Gerüchte führen dazu, dass der Bürger glaubt, sich bewaffnen zu müssen", so Schall.
Zu den meistverkauften Artikeln zählt übrigens ein CS-Gas-Spray. 40 Milliliter gibt es für zehn Euro. 90 Prozent der Kunden sind Frauen. Ein ziemlich gefährliches Stück Sicherheit. Schließlich handelt es sich auch bei den legalen Abwehrsprays um Distanzwaffen.
Das schnell wirkende Pfefferspray ist in Deutschland ausschließlich zur Tierabwehr zugelassen. Nur dann sind der Besitz und das Mitnehmen in der Öffentlichkeit erlaubt. Das gilt auch für alle Varianten wie Pfeffergel und Pfefferschaum. Gegen Menschen darf es nur in einer Notwehrsituation eingesetzt werden, wenn kein anderes geeignetes Mittel zur Verfügung steht.