Briefmarken und was dahinter steckt
Autor: Markus Häggberg
Klosterlangheim, Sonntag, 19. April 2020
Matthias Müller aus Kosterlangheim gewann Gold bei der Nationalen Briefmarkenausstellung "Naposta" 2020 mit über 120 Teilnehmern.
Sieht man sich bei Matthias Müller um, so versteht man schnell: Philatelie ist mehr als das Sammeln von Briefmarken. Der 63-jährige Möbelmonteur ist ein Aufbereiter, ein Geschichten- und Zusammenhängesucher. Jüngst erhielt er dafür eine Goldmedaille.
Der Mann ist auf Besuch vorbereitet. Von den sieben verschließbaren Schautafeln, die jüngst in einer Ausstellung in Sachsen-Anhalt Blicke auf sich zogen, hat er etwas daheim in seinem Arbeitszimmer stehen. Doch Briefmarken sind dort nur selten zu finden - eher Zusammenhänge. Seit über 15 Jahren hat Matthias Müller ein Faible für die Postgeschichte von Stadtroda, einer 6700 Einwohner zählenden Kleinstadt im thüringischen Saale-Holzland-Kreis. Hätte der gebürtige Leipziger in den 80er Jahren nicht eine Zeitlang dort gewohnt, wäre es nie zu dieser Themenstellung des jetzigen Klosterlangheimers gekommen. So aber begann er schon 1985 damit, Material zusammenzutragen. Das gelang ihm so gut, dass die Jury ihm eine Goldmedaille verlieh.
Wo muss man recherchieren?
"Mit so was wie einer Goldmedaille, habe ich gar nicht gerechnet", sagt Müller bescheiden. Doch wenn man sich in seinem Arbeitszimmer umsieht, bekommt man eine Ahnung davon, dass man es hier mit einem Eingeweihten zu tun hat, mit jemandem, der nicht nur viel über Briefmarken und Postentwicklung weiß, sondern auch sagen kann, wo man Recherchen anstellen und Informationen erhalten kann: In Auktionshäusern, auf Börsen, bei Tauschtagen, in Archiven, sogar in Staatsarchiven. So wurde er auch Mitglied in verschiedenen geschichtlichen Arbeitsgemeinschaften.
Bilder sagen mehr als Worte. Müller zeigt ein beredtes Foto, eines, das von so einer Ausstellung berichtet. Es ist ein Meer an Schautafeln, an Rahmen, an Gängen zu sehen. So war es zwischen dem 13. und 16. Februar auch im sächsisch-anhaltinischen Haldensleben bei der Nationalen Briefmarkenausstellung "Naposta" 2020 mit über 120 Teilnehmern. Hier zeigte sich, dass Briefmarken unter Kennern nicht für sich stehen, sondern in Geschichte und Geschichten einzupflegen sind.
Gliederung der Postgeschichte
Und so verweist Müller auf das, was man schon aus Schulaufsätzen als Gliederung kennt. In seiner Gliederung ist von der Zeit vor Einrichtung einer Poststelle, von der Zeit der Taxisschen Post und der sächsischen Post bis zum Übergang in die Deutsche Reichspost zu lesen. Unterpunkte dabei sind die Stempelentwicklung oder das Depeschenwesen - und wendet man den Blick von der Gliederung auf das, was dazu hinter Glas zu finden ist, dann begegnet man Dokumenten und Exponaten aus der Zeit zwischen 1631 und 1878. "Es ist sogar eine Themaverfehlung möglich", erklärt Müller zu den Regularien. Auch das ist wie bei einem Aufsatz.
Warum Stadtroda? Auf diese Frage hin schmunzelt Müller leicht und sagt: "Stadtroda ist für die Weltpostgeschichte nicht so bedeutsam wie Nürnberg oder Leipzig." Aber er verweist eben auf seine dort verbrachte Lebenszeit. Kommt man mit Müller, der auch Vorsitzender des Briefmarkensammler-Vereins Lichtenfels ist, über Postgeschichtliches ins Gespräch, dann fällt schnell der Name Thurn und Taxis. "Die haben die erste organisierte Post Europas eingerichtet", erklärt Müller und führt aus, dass er beim Staatsarchiv Regensburg Informationen über das Eröffnungsdatum der Post von Stadtroda erhielt. Hintergrund: Regensburg ist der Sitz der postbegründenden und in den Hochadel aufgestiegenen lombardischen Adelsfamilie.
Beförderungswege nachzeichnen
Auf einer Stellwand in seinem Zimmer, an dessen Tür neckischerweise ein Emaillepostschild prangt, befindet sich der unerwartetste Fund, den der Philatelist im Zuge seiner Themenbearbeitung machen durfte. Es handelt sich um einen Postschein von 1844, den ihm ein Sammler überlassen hatte. Auffällig ist auch die Wand, auf der der 63-Jährige gar den Beförderungsweg eines Briefs vom Dezember 1861 nachzeichnete, inklusive des Wechsels von der Postkutsche zur Eisenbahn. "Die waren teilweise schneller als heute", sagt er und meint auch, was er sagt.