"Brexit wird sich nur begrenzt auf die Konjunktur auswirken"
Autor: Michael Memmel
Bamberg, Mittwoch, 29. Juni 2016
Die Briten wollen raus aus der EU - muss wegen des Brexits den Firmenchefs in der Region Bamberg der Schweiß ausbrechen? Matthias Kremer, stellvertretender ...
Die Briten wollen raus aus der EU - muss wegen des Brexits den Firmenchefs in der Region Bamberg der Schweiß ausbrechen? Matthias Kremer, stellvertretender Vorsitzender des IHK-Gremiums Bamberg, nimmt dazu im Interview Stellung.
Wie schätzen Sie die Auswirkungen des Brexits auf die Unternehmen in Oberfranken ein?
Matthias Kremer: Ich glaube generell, dass der Brexit eher eine politische als eine wirtschaftliche Bedeutung hat. Die Auswirkungen auf die Konjunktur werden begrenzt sein. Zu beachten ist allerdings, dass wir in Bayern und speziell in Oberfranken einen Schwerpunkt in der Automobil- und Automobilzulieferer-Industrie haben. Und wenn man weiß, dass diese Branche mit 30 Milliarden Euro mit weitem Abstand den größten Teil des deutschen UK-Exports ausmacht, dann wäre natürlich eine Marktzugangsbeschränkung problematisch.
Aber das kann man ja nicht ernsthaft annehmen. Das war ja auch nicht erklärtes Ziel der Brexit-Befürworter.
Also kein Grund zur Panik?
Man muss abwarten, wie es weitergeht. Ich bin mir nicht mal noch sicher, ob England den Artikel 50 zieht und den Austritt formell beantragt. Momentan ist ja rechtlich nichts passiert. Da sollte man mal ganz ruhig bleiben. Wenn England letztlich den EWR-Status einnimmt wie Norwegen und ähnliche Länder, dann wird sich im Bereich der Wirtschaft nicht so wahnsinnig viel tun.
Wo erwarten Sie die stärksten Auswirkungen des Brexits?
Die größten Nachteile sehe ich in der Politik. Deutschland würde mit England der stärkste Verbündete für den Freihandel und ein Partner für eine Sperrminorität im Europarat gegen die verschuldungsunkritische Südachse fehlen.
Zudem besteht die Gefahr, dass andere Länder nachfolgen und - anders als England - dies mit einer Abkehr vom Freihandel verbinden. So wäre es für Deutschland, dessen Wohlstand vor allem auf dem Export basiert, eine veritable Katastrophe, wenn die Globalisierungsgegner Le Pen in Frankreich und Trump in den USA die nächsten Wahlen gewinnen würden. So könnte es passieren, dass über die Verunsicherung der Finanzmärkte, ausgehend von der Politik, auch die Konjunktur negativ beeinflusst wird.
Bewegt das Thema auch ihre Kollegen in der IHK?
Beschäftigen tut es natürlich jeden, aber viele Zwiegespräche dazu fanden in den letzten Tagen nicht statt. Genauere Erkenntnisse zu der Stimmung erwarten wir uns aus einer aktuell laufenden Umfrage unter den Mitgliedern.
Die Fragen stellte
Michael Memmel