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Braugerstenanbau ist in Gefahr


Autor: Stephan Herbert Fuchs

Kulmbach, Freitag, 04. März 2022

BBV-Kreisversammlung  Für die Kulmbacher Landwirte kommt die Sicherstellung der Ernährung vor der Flächenstilllegung.
Die neue EU-Politik gefährde den Braugerstenanbau in der Region, sagt der BBV.


Stephan Herbert Fuchs

Die Landwirtschaft steht vor riesigen Herausforderungen. "Es ist nicht fünf vor, sondern bereits fünf nach zwölf", sagte BBV-Kreisobmann Wilfried Löwinger bei der Online-Kreisversammlung. Der Strukturwandel setze sich derzeit in ungeahnter Art und Weise fort. Vor allem tierhaltende Betriebe blieben auch im Kulmbacher Land auf der Strecke.

"Da kommt einiges auf uns zu", so Löwinger mit Blick auf die neue gemeinsame europäische Agrarpolitik der Jahre 2023 bis 2027. Bewegte Zeiten gebe es derzeit freilich auch durch den Krieg in der Ukraine, dessen Auswirkungen derzeit noch gar nicht abzusehen seien. "Vor diesem Hintergrund müssen wir die Bedeutung der Ernährungssicherung völlig neu bewerten", so der Kreisobmann. Zwangsstilllegungen würden da so gar nicht mehr in die Zeit passen. Er rief deshalb dazu auf, die künftige Ausrichtung der europäischen Agrarpolitik noch einmal völlig neu zu überdenken.

Preisschock

Zu den bewegten Zeiten gehöre derzeit auch die Tatsache, dass alles extrem teurer wird. Alle spürten den Preisschock, bei den Bauern schlage besonders die Kostenexplosion bei den Betriebsmitteln zu Buche. Der Preis für Düngemittel habe sich binnen zwölf Monaten glatt verdreifacht. Gleichzeitig blieben die Einnahmen weg. "Bei uns kommt nichts an", so Löwinger. Die großen Gewinne gingen in die Taschen der Handelskonzerne. Konkret kritisierte er, dass mit dem Ziel des Erosionsschutzes eine künftige Winterbegrünung vorgeschrieben ist. Das sei mit dem für Kulmbach so wichtigen Braugerstenanbau nicht vereinbar. Neben einer Rücknahme überzogener Forderungen, Vorschriften und Gesetze forderte der Kreisobmann deshalb Ausnahmeregelungen für bestimmte Gebiete. "Es kann ja niemand daran Interesse haben, dass die Braugerste bei uns vor dem Aus steht."

"Die Würfel sind gefallen"

Im Mittelpunkt der Versammlung stand die zukünftige EU-Agrarpolitik. "Die Würfel sind gefallen, die Beschlüsse sind gefasst", sagte Matthias Borst vom Fachbereich Agrar- und Umweltpolitik des BBV. Von den Bauern werde künftig noch mehr abverlangt. Der Referent zählte zahlreiche Eckpunkte auf, bei denen der Verband Verbesserungen erzielen konnte. Vor allem hätten ein solider Finanzrahmen gesichert und eine ursprünglich geplante 30-prozentige pauschale Kürzung verhindert werden können.

Trotzdem werde die Förderung für manche Betriebe geringer ausfallen. Auch das verschwieg Borst nicht. Schuld daran seien neue Vorhaben, die unter Schlagworten wie Konditionalität oder Öko-Regelungen fester Bestandteil der neuen EU-Agrarpolitik werden sollen. Dabei geht es im Wesentlichen um Natur-, Landschafts- und Klimaschutzmaßnahmen, zu denen die Bauern teilweise verpflichtet werden sollen oder deren freiwillige Umsetzung extra entlohnt werden soll. Erosionsschutzmaßnahmen gehörten genauso dazu wie der Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel.

Aufgrund der Niederschlagssituation ging Borst davon aus, dass die neuen Vorgaben für den Erosionsschutz in Nordbayern nicht so ins Gewicht fallen. Trotzdem sei festgelegt, dass, vereinfacht gesagt, immer etwas auf dem Feld stehen muss, entweder eine Zwischenfrucht oder Getreidestoppeln. Eine raue Pflugfurche genüge dann zwischen dem 1. Dezember und dem 15. Januar nicht mehr.

Neu ist eine soziale Komponente, bei der den Bauern Sanktionen für den Fall drohen, dass sie bei Mitarbeitern gegen Arbeits- und Beschäftigungsregelungen verstoßen. Einen gewissen Ausgleich für Kürzungen in der Förderung erhoffte sich Borst von bayerischen Programmen oder von der Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete.

Die geplanten verpflichtenden Stilllegungen von besten Ackerflächen seien auf jeden Fall noch einmal zu hinterfragen, sagte MdL Martin Schöffel (CSU). In der jetzigen Situation stehe die Versorgung im Mittelpunkt. Er hoffe, dass die Menschen jetzt wieder den Wert der Landwirtschaft und der eigenen Nahrungsmittelversorgung erkennen.