Bischöfin reagiert auf Enthüllung
Autor: Marion Krüger-Hundrup
Bamberg, Sonntag, 24. Sept. 2017
Der Bericht über Alfred Schemmel ruft Dorothea Greiner auf den Plan. Der evangelische Pfarrer war vor seiner Zeit in Bamberg als SS-Hauptsturmführer in Auschwitz aktiv.
Marion Krüger-Hundrup
"Es ist jetzt schon zu erkennen, dass der aufklärende Artikel Gemeindemitglieder schockiert", erklärte Pfarrerin Anette Simojoki von der Erlösergemeinde am Samstag. An diesem Tag war in unserer Zeitung der Artikel erschienen "Die Lebenslügen von Onkel Fred", der bekannt machte, dass der beliebte evangelische Pfarrer Alfred Schemmel (1905 bis 1987) im Zweiten Weltkrieg als SS-Hauptsturmführer im KZ Auschwitz-Birkenau sein Unwesen getrieben hatte. Schemmel lebte ab 1946 in Bamberg und war als Amtsaushilfe in der Erlösergemeinde sowie als Religionslehrer unter anderem in der Berufs- und Handelsschule eingesetzt.
SS-Mitgliedschaft verheimlicht
In den evangelischen Stadtgemeinden Bambergs gab es nun in den Sonntagsgottesdiensten eine entsprechende Information. Prompt reagierte auch Regionalbischöfin Dorothea Greiner, die sich am Samstag gegenüber der Autorin "ausschließlich dankbar" für den Artikel zeigte. Die Bischöfin hat darüber hinaus eine Pressemitteilung verfasst, in der es heißt: "Die Vorgeschichte Alfred Schemmels im Nationalsozialismus war bisher in der bayerischen Landeskirche nicht bekannt. Schemmel hatte seinen Lebenslauf gefälscht und die Mitgliedschaft in der SS seinem neuen Dienstgeber nach dem Krieg verheimlicht", schreibt Greiner. Die Aufdeckung der Vergangenheit von Alfred Schemmel zeige, dass "weitere Aufklärung dringend nötig ist".Der Historiker und Pfarrer an der evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau, Björn Mensing, habe in seinem Buch "Pfarrer und Nationalsozialismus" (1999) die ideologische Verstrickung von Pfarrern im Nationalsozialismus bis 1945 profund aufgearbeitet. Doch der Fall Schemmel zeige, dass Anschlussforschungen notwendig sind, so die Regionalbischöfin. Sie fährt wörtlich fort: "Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, die Mehrheit der evangelischen Pfarrer hätte wie Karl Steinbauer oder Dietrich Bonhoeffer gegen den Nationalsozialismus Widerstand geleistet. Ohne falsche moralische Überheblichkeit der Nachgeborenen müssen wir noch viel genauer hinschauen, wie und warum Pfarrer und andere Mitarbeitende mit Nazi-Gesinnung nach dem Krieg wieder in den kirchlichen Dienst kamen oder in ihm blieben. Nur wenn wir als Kirche selbst ehrlich und selbstkritisch unsere Vergangenheit anschauen, können wir heute glaubwürdig rechtsextremem oder gar antijüdischem Gedankengut entgegentreten."
Bischöfin Dorothea Greiner will sich nach eigenen Worten umgehend darum bemühen, eine wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Thema anzustoßen. Die Erlösergemeinde plant nun gemeinsam mit dem Evangelischen Bildungswerk Bamberg eine Informationsveranstaltung zu diesem Thema - voraussichtlich vor dem Buß- und Bettag -, an dem auch der Fall Alfred Schemmel behandelt werden soll.