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Billiglöhne im Internet bekämpfen


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, Samstag, 28. November 2020

Die Pandemie lässt digitale Anbieter wie Essenslieferdienste weiter boomen. Doch die Arbeitsbedingungen von Fahrern und anderen in der Branche stehen in der Kritik. Neue Regeln sollen helfen.


Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will Billiglöhnen bei Essenslieferdiensten und anderen boomenden Digitalplattformen einen Riegel vorschieben. "Ich werde nicht zulassen, dass Digitalisierung in der Plattformökonomie mit Ausbeutung verwechselt wird", sagte Heil der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Nach Eckpunkten des Arbeitsministeriums sollen auch soloselbstständige Plattformtätige künftig sozialen Schutz und angemessene Arbeitsbedingungen genießen.

Betroffen sind neben Essenslieferanten zum Beispiel Fahrdienste und Haushaltsdienstleistungen, aber auch Plattformen für Textarbeit, Programmierung und kreative Tätigkeiten. Nach einer EU-Erhebung beziehen 2,7 Millionen Menschen in Deutschland entweder mindestens die Hälfte ihres Einkommens aus Plattformarbeit oder arbeiten mindestens zehn Stunden pro Woche auf diese Weise, wie das Ministerium schreibt. Andere Studien kämen zu geringeren Zahlen.

Rahmen für fairen Wettbewerb

"Plattformen streben nach Marktbeherrschung", sagte Heil. "Das erleben wir jetzt auch in der Pandemie." Bei den Essensbringdiensten zum Beispiel gebe es mittlerweile vor allem einen relevanten Anbieter. Die Klagen von Gastronomen über ihre Abhängigkeit von der Bestellplattform Lieferando sind bekannt. Laut einem ARD-Bericht bemängeln Mitarbeiter zudem, dass dort die Gründung von Betriebsräten erschwert werde.

Heil sagte, Marktbeherrschung führe dazu, "dass Preise und Bedingungen gegenüber den Lieferanten und den Restaurants einseitig diktiert werden können". Nötig sei ein Rahmen für fairen Wettbewerb. "Ich will die Kultur der sozialen Marktwirtschaft in der Plattformökonomie weiterentwickeln."

Das Arbeitsministerium schlägt unter anderem folgende Eckpunkte vor:

• Soloselbstständige Plattformtätige sollen in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Die Plattformbetreiber sollen dafür mitbezahlen. Auch Beiträge der Plattformen für die Krankenversicherung sollen geprüft werden. Etwa bei Essenslieferanten oder Fahrradkurieren soll auch geprüft werden, ob Betreiber Beiträge der Unfallversicherung tragen müssen.

• Wenn ein Plattformtätiger Anhaltspunkte für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vorträgt, muss der Betreiber im Falle einer Meinungsverschiedenheit das Gegenteil beweisen.

• Das Ministerium will kollektivrechtliche Organisation für soloselbstständige Plattformtätige ermöglichen. Arbeitsbedingungen sollen auf Augenhöhe verhandelt werden.

• Mindestkündigungsfristen sollen je nach Dauer der Tätigkeit festgeschrieben werden. Angestrebt werden auch eine Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Regeln zum Mutterschutz sowie zum Urlaub. Soloselbstständige sollen nicht länger zu ihren Lasten gehende Vertragsbedingungen akzeptieren müssen.

Arbeitern den Rücken stärken

"Digitale Plattformen machen das Leben leichter", sagte Heil. "Neue Arbeitsmöglichkeiten entstehen." Aber er wolle Beschäftigten, die auf und für Plattformen arbeiten, den Rücken stärken - egal ob abhängig beschäftigt oder soloselbstständig. "Plattformbeschäftigte müssen die Möglichkeit haben, ihre Interessen wirksam zu vertreten und zum Beispiel Tarifverträge zu machen." Er wolle fairen Ausgleich zwischen Produzenten, Konsumenten und Beschäftigten.

"Es gibt Plattformen, in denen ich keineswegs den Eindruck habe, dass prekäre Arbeit vorherrscht", sagte Heil. Etwa bei den Handwerksplattformen.