Billig "made in Europe"
Autor: Heike Schülein
Kronach, Sonntag, 26. Februar 2017
In der Kronach Stadtpfarrkirche ist die Ausstellung "Mensch.Macht.Milch" zu sehen.
Die großformatigen Bilder, die derzeit in der Stadtpfarrkirche zu sehen sind, sind richtige Hingucker. Und sie vermitteln klare Botschaften. "Ich will lieber für den Bedarf produzieren statt Überschüsse für Dumpingexporte", "Ohne die Kühe würden viele meiner Angestellten ihren Job verlieren" oder "Die zwölf Liter Milch unserer vier Kühe ernähren meine Familie" ist darauf zu lesen.
Die Aufnahmen zeigen Milchbauern aus verschiedenen Ländern, von denen die meisten mit nachdenklich-ernstem Blick in die Kamera schauen. Und ihre Lage ist in der Tat ernst: So unterschiedlich die Milchproduktion in der Welt auch ist, plagen sie doch alle die gleichen Probleme. Hierzu zählt insbesondere der zu niedrige Milchpreis.
Kritik an EU-Agrarpolitik
Wie arbeiten die Bauern in Nordrhein-Westfalen, in Frankreich, Kamerun oder Burkina Faso? Wie wirkt sich die EU-Agrarpolitik auf diese Menschen aus? Diese und viel mehr Fragen will die Fotoausstellung "Mensch.Macht.Milch - EU-Agrarpolitik und bäuerliche Landwirtschaft in Nord und Süd. Auswirkungen und Perspektiven" beantworten. Mit seiner Kamera hat der Hamburger Fotograf Fred Dott die Gesichter und Geschichten hinter der Milch festgehalten und insgesamt sieben Höfe in drei europäischen Ländern sowie dem westafrikanischen Burkina Faso porträtiert.
Größer heißt nicht effizienter
Eine Ursache für die massive Bedrohung der Bauernhöfe sehen die Macher der Schau in der europäischen Agrarpolitik. Die EU fördere seit mehr als vier Jahrzehnten größere und vermeintlich effizientere Strukturen, beispielsweise durch Investitionshilfen für Stallbauten bei Betrieben, die auf Wachstum und Export setzen. Das führe dazu, dass große Agrar-Fabriken bäuerliche Höfe verdrängen. Auch zum jüngsten Preissturz hätten die EU-Kommission und die europäischen Agrarminister wesentlich beigetragen. Obwohl auf dem Weltmarkt keine erhöhte Nachfrage nach EU-Milchprodukten absehbar war, erhöhten sie ab 2008 die Milchquote um mehrere Prozent. Dies ebnete den Weg für eine sinnlose, nicht am Bedarf orientierte Produktionssteigerung. Zurzeit steht mehr Milch zur Verfügung als nachgefragt wird. Auf dem sensiblen Markt reichen aber schon leichte Übermengen, um die Preise zu drücken.
"Das ist doppelt falsch"
Dem Stadtpfarrer Thomas Teuchgräber, der selbst aus einer bäuerlichen Familie stammt, ist das Thema besonders wichtig. So wichtig, dass die Ausstellung in der Stadtpfarrkirche gezeigt wird, was sonst keinesfalls üblich ist. Auch er prangert die Überproduktion mit ihren Dumpingeffekten an. Fatalerweise würden die billigen Milchprodukte "made in Europe" in den Entwicklungsländern mit heimischen Produkten konkurrieren und dort die Lebensgrundlagen von Kleinbauern gefährden. Auch werde der Aufbau einer eigenen Milchbearbeitung verhindert. "Das ist doppelt falsch", so der der Regionaldekan. "Bauern müssen einen gerechten Preis für ihre Milch bekommen, egal in welchem Land." Schon heute würden viele Milchbetriebe ums Überleben kämpfen, so Teuchgräber. Notwendig sei ein Umdenken, eine nachhaltige und global verantwortliche Agrar-Politik.Mit der Ausstellung "Mensch.Macht.Milch" möchte die katholische Pfarrei St. Johannes Kronach einen Beitrag zur öffentlichen Diskussion um die anstehende europäische Agrarreform leisten und die Thematik tiefer in den Köpfen der Menschen verankern. Die Bilder und Texte sind zugleich auch ein Plädoyer für eine bäuerliche, vielfältige, lokal angepasste und regionale Lebensmittelerzeugung.
Die Schau ist noch bis zum 16. März zu sehen. Sie ist ein Projekt von Germanwatch, der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Brot für die Welt, dem Bundesverband Deutscher Milchviehhalter, European Milk Board und Misereor. Gefördert wird es vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Die Ausstellung wird in Kronach im Rahmen der diözesanen Misereor-Fastenaktion gezeigt, die am 12. März offiziell eröffnet wird.