Druckartikel: Biedermänner und Terroristen

Biedermänner und Terroristen


Autor: Rudolf Görtler

Bamberg, Samstag, 14. Januar 2017

Das Theater im Gärtnerviertel (TiG) widmet sich dem "Nationalsozialistischen Untergrund". Das Stück "Weißes Mäuschen warme Pistole" ist jedoch kein Doku-Drama.
Benjamin Bochmann, Ursula Gumbsch und Stephan Bach (v. l.) spielen den NSU.  Foto: Werner Lorenz


Rudolf Görtler

Aus traurigem Anlass ist es etwas still geworden um den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU), jene rechtsterroristische Vereinigung, die mutmaßlich zehn Menschen ermordet und unzählige weitere Straftaten begangen hat: Der von Islamofaschisten verursachte Schrecken hat den der Neonazis überdeckt. Gefühlt ewig schleppt sich der Prozess gegen Beate Zschäpe hin, die einzige Überlebende des Terror-Trios aus dem deutschen Osten.


Kein Betroffenheitskitsch

Olivia Wenzel (Jg. 1985) hat aus dem Stoff ein Drama geformt, das 2013 in Braunschweig uraufgeführt wurde. Schon der Titel "Weißes Mäuschen warme Pistole" verrät, dass kein bierernstes Stück zu erwarten ist, das vor Betroffenheit trieft. Das macht auch Heidi Lehnert schnell klar, die das "Mäuschen" fürs Theater im Gärtnerviertel inszeniert; am 21. Januar soll es zum ersten Mal in Bamberg zu sehen sein. Spielort ist, dem Credo der semiprofessionellen Truppe verpflichtet, ein historisches Haus nahe der Gangolfskirche: das schön renovierte Gärtnerhaus am Landratsamt in der Kaimsgasse 23. In dessen Foyer werden sich die drei Schauspieler tummeln, beobachtet von maximal 60 Zuschauern.
Drei Personen sind es zwar, wie im realen Leben. Doch Stephan Bach, Benjamin Bochmann und Ursula Gumbsch sind keineswegs mit Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe gleichzusetzen. Es soll kein dokumentarisches Theater werden, das sich an die historischen Fakten hält. Das mörderische Trio aus Zwickau, das ganz bieder Urlaub an der Ostsee machte, dient eher als Projektionsfläche für die Erwartungen der Zuschauer. Naturgemäß taucht schon das Beziehungsgeflecht auf, das sich zwischen den drei jahrelang im Untergrund zusammenlebenden Terroristen entsponnen haben muss. Doch die TiG-Spieler wechseln die Identitäten. Auch die Opfer, meist türkische oder griechische Kleingewerbetreibende, und deren Angehörige kommen zu Wort. Ja, in guter alter allegorischer Tradition tritt der personifizierte Hass auf.


Paulchen Panther

Das hört sich alles sehr schwierig an. Doch die Regisseurin und Nina Lorenz, Mitinitiatorin des TiG, versprechen auch Amüsement auf der braunen Couch: "Eine schwere Thematik kommt leicht daher." Die infame Verwendung der Comicfigur "Paulchen Panther" in Propagandavideos des NSU wird so thematisiert, wie Fragen nach Wahrheit und Lüge, nach Normalität und Abweichung aufgeworfen werden. Wieviel NSU steckt eigentlich in jedem von uns?
"Weißes Mäuschen warme Pistole" der aufstrebenden jungen Dramatikerin Olivia Wenzel ist laut TiG auch und gerade für junge Zuschauer geeignet (für Jugendliche, nicht für Kinder). Bei Interesse wenden sich zum Beispiel Lehrer an die Theaterpädagogin Olga Seehafer, Telefon 0176/61299171.