Bibliotheken sind auch Anlaufstellen der Begegnung
Autor: Iryna Zakoretska
Bamberg, Donnerstag, 20. April 2017
Welchen Stellenwert haben Bibliotheken und die gedruckten Medien heutzutage? Werden sie von digitalen Quellen verdrängt? Zum "Welttag des Buches" am 23. Apr...
Welchen Stellenwert haben Bibliotheken und die gedruckten Medien heutzutage? Werden sie von digitalen Quellen verdrängt? Zum "Welttag des Buches" am 23. April, dem weltweiten Gedenktag für das Lesen, sprachen wir dazu mit der Leiterin der Stadtbücherei Bamberg, Christiane Weiß.
Wie wichtig sind in einer zunehmend von der Digitalisierung geprägten Welt reale Bibliotheken?
Christiane Weiß: Bibliotheken bleiben sehr wichtig, da sie Orte der Begegnung und Kommunikation sind. Für viele Menschen haben sie sich in einer zunehmend individualisierten Gesellschaft, in der immer mehr Filialen von Geschäften und Banken schließen oder durch Automaten ersetzt werden, zu Treffpunkten entwickelt, in denen man sich gerne aufhält. Sie sind geschätzt als Einrichtungen, in denen man Bücher ausleiht, Auskunft erhält, an Veranstaltungen teilnimmt und sich sowohl im Lesecafé oder in einer der vielen Leseecken gerne zurückzieht und liest. Dies belegen 196 586 gezählte reale Besuche bei uns im Jahr 2016. Bibliotheken haben daneben eine wichtige Funktion beim Erwerb der Lesefähigkeit. Lesen ist nach wie vor eine der wichtigsten Kulturtechniken des Lebens. Die Fähigkeit zu lesen fällt jedoch nicht in den Schoß, sondern muss erworben werden. Dabei ist die Bücherei mit ihrem Angebot ein wichtiger Partner der Eltern, Kindergärten und Schulen. Das Aufgabengebiet der sozialen Bibliotheksarbeit wächst ständig. Die Integration von Randgruppen der Gesellschaft wird durch Angebote in leichter Sprache, Literatur in verschiedenen Sprachen, kostenlosem WLan aber auch durch Angebote für Demenzpatienten permanent erweitert und durch spezielle zielgruppenorientierte Führungen und Veranstaltungen ergänzt.
Wie groß ist der Bestand der Stadtbücherei?
In unseren Hauptstelle in der Obere Königstraße 4a und drei Zweigstellen (Dürrwächterstraße 29, Seehofstraße 41, Wunderburg 4) verfügen wir insgesamt über 128 800 Medien. Das sind nicht nur gedruckte Medien wie Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, sondern auch CDs, DVDs, Hörbücher, Konsolenspiele sowie Gesellschaftsspiele. Daneben können unsere Kunden in unserem Onlineportal "Franken-Onleihe" aus einem elektronischen Bestand von über 45 000 E-Books, Audios, E-Papers und E-Magazines zurückgreifen.
Wie viele Bücher wurden letztes Jahr ausgeliehen?
Im vergangenen Jahr wurden in der Stadtbücherei insgesamt 596 283 Entleihungen verzeichnet. Damit gehört die Stadtbücherei Bamberg sowohl bundes- als auch bayernweit zu den ausleihstärksten und mehrfach ausgezeichneten Bibliotheken. Etwa 380 000 (64 Prozent) dieser Ausleihen fallen auf den Printbereich - also gedruckte Bücher und Zeitschriften. 162 000 (27 Prozent) Entleihungen verzeichnen die "Non-Books", also Tonträger, Filme und Spiele. Die restlichen 9 Prozent (54 000) sind elektronische Ausleihen, von denen drei Viertel E-Book-Ausleihen sind - nach meiner Meinung also auch Buch-Ausleihen.
Wie hat sich die Anzahl der Ausleihen entwickelt?
In den letzten vier Jahren stagniert die Zahl unserer Ausleihen auf hohem Niveau. Dabei muss der allgemeine demografische Wandel und die allgemeine gesellschaftliche Entwicklung im Blick behalten werden. Eine Gesellschaft, die schrumpft, kann keine weiter steigenden Ausleihzahlen erwarten. Grund dafür ist auch der allgemeine Medienwandel. Die Vielfalt der Medienangebote hat auch ein anderes Benutzerverhalten zur Folge. Dabei sind ein souveräner Umgang und ein gutes Zeitmanagement in der Gesellschaft immer notwendiger.
Geht der Trend in Zukunft mehr zu Onlinequellen?
Wir hier in der Stadtbücherei Bamberg stellen fest, dass unsere Kunden Medienvielnutzer sind. So wird unsere digitale Zweigstelle gerade in Ferienzeiten und auf der Reise sehr gut genutzt.
Immer wieder spiegeln uns unsere Kunden aber auch, dass das traditionelle gedruckte Buch für sie nach wie vor einen hohen Stellenwert besitzt. Dabei wird auf die ganz andere Haptik eines gedruckten Buches verwiesen, die auch durch einen gut beleuchteten E-Book-Reader nicht ersetzt werden kann. Daneben wird die Unabhängigkeit von Elektronik und technischen Geräten als Vorteil für das traditionelle Buch angeführt und geschätzt. Für mich hat die Bibliothek vor Ort daneben noch einen weiteren Vorteil: In Online-Portalen sieht man immer nur einen kleinen Ausschnitt des Gesamtangebots mit Bildern − meistens die Neuerwerbungen und die meistgelesenen Titel. Alles andere muss in Recherchemasken gesucht und gefunden werden.
Bei der Bibliothek vor Ort ist das ganz anders: Hier reiht sich der gesamte nicht entliehene Bestand in den unterschiedlichsten Präsentationsformen in Regalen. Bücher können in die Hand genommen und aufgeschlagen werden. Man kann hineinblättern und auswählen. Das Personal hilft und berät bei der Suche.
Die Fragen stellte
Iryna Zakoretska.