Druckartikel: Beziehungstango im großbürgerlichen Ambiente

Beziehungstango im großbürgerlichen Ambiente


Autor: Rudolf Görtler

Bamberg, Montag, 13. März 2017

Rudolf Görtler Ein hoch modernes Thema hat sich der alternde Herr Geheimrat da in seinem 1809 erschienenen Roman "Die Wahlverwandtschaften" gewählt: Es geht...
Wahlverwandte: Eduard (Felix Pielmeier, links) und Ottilie (Olga Seehafer) wollen aus ihren Beziehungen ausbrechen. Foto: David Grimm


Rudolf Görtler

Ein hoch modernes Thema hat sich der alternde Herr Geheimrat da in seinem 1809 erschienenen Roman "Die Wahlverwandtschaften" gewählt: Es geht um Liebe und Treue, um Leidenschaft und Entsagung, um etwas trivialer und moderner gesagt um "Beziehungskisten", um Trennung, "Versöhnungskinder" und neue Bindung, um serielle Monogamie.
Das "Theater im Gärtnerviertel" hat sich des Stoffs angenommen. Eine Skizze der Handlung: Das Adelspaar Eduard (Felix Pielmeier) und Charlotte (Aline Joers) führt eine komfortable Existenz ohne große Aufregungen auf seinem Landgut. Als die Gäste Otto (Martin Habermeyer) und Ottilie dazukommen, gerät das fein austarierte Gleichgewicht der Beziehungen ins Wanken und neue Bindungen entstehen ... Wie in den "Wahlverwandtschaften" chemischer Elemente entwickeln sich neue Anziehungskräfte und Bindungen.
Das waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts, übrigens mitten in den Wirren der napoleonischen Zeit, Luxusprobleme, die sich nur wenige leisten konnten. Luxuriös ist das großbürgerliche Ambiente diesmal gleich zweier Spielorte: die Salons im Krackhardt-Haus am Maxplatz und des Aufsesshöfleins in der Gärtnerflur. 200 Jahre später haben sich auch die Beziehungen zwischen Mann und Frau und die Wirrnisse, die aus ihnen entstehen können, demokratisiert. Das beweisen schon die Scheidungsraten.
Die sich liebenden Paare kommen nicht zusammen, weil sie Vernunft walten lassen - was sie immer und zu allen Zeiten tun sollten. Goethe schlug vor, eine Ehe solle nur auf fünf Jahre geschlossen und dann verlängert oder beendet werden. Freilich muss man auch Zeit und Geld für die Diskussion solcher Fragen haben. Das ist dem Ensemble - mit Pielmeier und Joers sind zwei alte Bekannte vom E.T.A.-Hoffmann-Theater dabei - unter Leitung der Regisseurin Nina Lorenz durchaus bewusst. Pielmeier meint gar, "der Adel kommt nicht gut weg".
Die Zuschauer erwartet jedoch in dieser "Versuchsanordnung" (Lorenz) keine Strindberg'sche Ehehölle, sondern Tragik und Komik zugleich. Etwa 40 bzw. 50 Zuschauer werden Platz finden, die Bühne wird wie gewohnt karg ausgestattet sein; die Live-Musik stammt von Jakob Fischer.