Betrugsmasche perfektioniert
Autor: Udo Güldner
Bamberg, Donnerstag, 26. November 2020
Ein Obdachloser langt in fremden Briefkästen zu und kommt so auch an Geldkonten heran. Jetzt muss er drei Jahre ins Gefängnis.
Für drei Jahre schickt das Landgericht Bamberg einen 52-jährigen Obdachlosen aus Bamberg hinter Gitter. Er hatte zwischen Dezember 2019 und März 2020 aus fremden Briefkästen im Stadtgebiet Postsendungen mit EC-Karten, Pin-Codes und anderen Bankunterlagen gefischt. Mit den Daten erbeutete er mittels gefälschter Überweisungsbelege und am Geldautomaten rund 4750 Euro. Die laschen Sicherheitsmaßnahmen der Banken hatten es ihm allerdings sehr leicht gemacht.
Gleich zu Beginn zwei Ratschläge, damit Sie als Leser nicht auch Opfer eines solchen Betrügers werden. Erstens: Leeren Sie regelmäßig ihren Briefkasten oder lassen ihn während längerer Abwesenheit vom Nachbarn ausräumen; und falls Sie ein altes Modell haben sollten, schaffen Sie sich ein neues an, in das man weniger gut hineingreifen kann. Zweitens: Sollten Sie bei Ihrer Bank die Möglichkeit haben, Überweisungen auf Papier zu tätigen, dann lassen sie diesen vermeintlich bequemen Service besser sperren. Denn bis zu einer Summe von 2000 Euro wird gar nicht überprüft, ob Sie da selbst unterschrieben haben, wenn denn Name und Iban stimmen. Das erfährt man von einer Bank-Mitarbeiterin, die als Zeugin auch erklärt, dass es eine Kostenfrage sei, entsprechende Geräte anzuschaffen, um alle Überweisungsträger automatisch zu kontrollieren.
Denn wie der Fall des Obdachlosen Knut (Name geändert) zeigt, scheint es ganz einfach zu sein, an das Geld wildfremder Leute heranzukommen. Auf seinen nächtlichen Touren durch Bamberg hat er ständig private Briefkästen im Blick. Am liebsten sind ihm solche, die einige Tage lang nicht geleert werden. Was er darin nicht schon alles "gefunden" hat: Bargeld aus dunklen Geschäften, Autoschlüssel, Dauerkarten für die Brose Baskets, aber auch Drogen. Er nimmt mit, was er brauchen kann. Hat er eine EC-Karte erwischt, dann kommt er wieder, um den Pin-Code zu erbeuten. Der wird einige Tage später auch per Brief geschickt. Mit beidem zusammen sucht er Geldautomaten auf und hebt ab.
Für Staatsanwalt Alexander Zenefels ist vor allem ärgerlich, dass Knut bei dem ersten der mehr als hundert Fälle, von denen es 87 ins Urteil geschafft haben, gerade erst wieder entlassen worden ist. "Sie haben offenbar keine Lehre aus früheren Gefängnisaufenthalten gezogen."
Mal wieder ein sauberes Bett
Mal sind es nur wenige Euro, wenn er wieder einmal Hunger hat. Oft aber sind es Hunderte Euro. Dann möchte Knut im Hotel oder einer Pension endlich wieder in einem sauberen Bett schlafen und ein reichhaltiges Frühstück bekommen. Immerhin lebt er sonst "auf der Platte", also unter Brücken, in ungeheizten Notcontainern oder in Hauseingängen. Einmal macht er mit dem Geld anderer sogar Urlaub an der Ostsee. "Ich wollte mal ausbrechen, den Kopf freikriegen". Sobald er zurück ist, geht das Spielchen weiter.
Damit die Konten, die er abräumt, immer gut gefüllt sind, verschiebt er von anderen Konten das Geld dorthin. Dazu braucht er die stibitzten Daten der Kontoinhaber und Überweisungsträger, die er immer mit der gleichen Unterschrift abzeichnet. Das fällt in der Bank kaum auf. Die Betrugsmasche hat Knut im Laufe der Jahre perfektioniert. Freilich ist man ihm früher schon auf die Schliche gekommen. Mehrmals stand er seit 2012 vor Gericht. Immer wieder saß er in Bamberg oder Kronach in Haft.
In die Obdachlosigkeit ist Knut geraten, als er mehrere Prüfungen "vergeigt" und nicht in seinem Traumberuf arbeiten kann. Danach jobbt er in einem Discounter im Landkreis Bamberg, bis er aus dem Betrieb gemobbt und durch einen billigeren Zeitarbeiter ersetzt wird. Er verliert seine Wohnung und gerät auf die schiefe Bahn. Seine Familie bricht jeglichen Kontakt mit dem "schwarzen Schaf" ab. Er bekommt nun auch gesundheitliche Probleme. "Ich habe es nicht geschafft, ein normales Leben zu führen." In die Obdachlosenunterkunft in der Theresienstraße will er nicht. Da werde man von den anderen Bewohnern nur bestohlen und geschlagen. So treibt er sich im Hain-Park herum oder im Harmonie-Garten, wo ihm sein Rechtsanwalt Thomas Gärtner beim Hundeausführen begegnet. "Er hat sich geschämt, als ich ihn erkannt habe."
Dass der Schaden nicht wie zuerst errechnet über 13 000 Euro beträgt, das liegt daran, dass Knut anfangs sogar einige Male etwas zurückgezahlt hat. Er habe sich nur etwas leihen wollen, wird er dem Vorsitzenden Richter Manfred Schmidt erklären. Einen "Betrug auf Zeit" wird es Staatsanwalt Zenefels nennen.
Oft aber haben die Banken es geschafft, das bereits überwiesene Geld mittels eines "Recalls" wieder zurückzuholen. Bei 4750 Euro hat es nicht geklappt. Das Geld ist weg. Hier springen Versicherungen oder Schadensfall-Konten der Banken ein, also alle Bankkunden.