Bauern sehen ihre Existenz bedroht
Autor: Andreas Welz
Lichtenfels, Samstag, 15. August 2015
Landwirtschaft Beim Besuch von zwei Vollerwerbsbetrieben machten die Landwirte vor allem den Preiskampf im Einzelhandel verantwortlich.
von unserem Mitarbeiter Andreas Welz
Siedamsdorf — "Die Schleuderpreise des Lebensmitteleinzelhandels zerstören unsere Landwirtschaft", befürchtet der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes, Michel Bienlein. Bei dem gestrigen Besuch von zwei landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieben in Obristfeld und Ebneth malte er das Gespenst der Hofaufgabe an die Stalltüren. Seit vier Jahren überlebten von 263 Kuhbetrieben 134, von 34 Muttersauenhaltern blieben 2014 nur 17 übrig und von 299 Mastschweinehaltern stellten 66 den Betrieb ein.
1000 Bauernhöfe
Die Situation der landwirtschaftlichen Betriebe im Landkreis gestalte sich derzeit mehr als schwierig und sei für viele Betrieb bedrohlich, erläuterte Bienlein. Im Moment kämen auf den rund 1000 Bauernhöfen in Lichtenfels viele Faktoren zusammen: die problematischen politischen Rahmenbedingungen, Belastung durch gesellschaftliche Diskussion, Witterung und Folgen für Ernte 2015.
Problematische Preispolitik
Außerdem habe der Lebensmitteleinzelhandel eine ruinöse Preisschlacht auf dem Rücken der Bauern begonnen. Anders als in seinen Selbstdarstellungen lege der Handel dabei wenig bis gar keinen Wert auf eine nachhaltige und faire Partnerschaft mit den Erzeugern, so Bienlein. "Durch die skrupellose Preispolitik wird vielmehr die Zerstörung der regionalen Lebensmittelerzeugung billigend in Kauf genommen." Schuld an dem aktuellen Milchpreis sei nicht das Ende der Quote, sondern die Preisschlacht des Lebensmitteleinzelhandels. "Das Quotenende wird nur als Vorwand benutzt, tatsächlich liefern wir Bauern weniger Milch als in den Jahren zuvor", stellte Bienlein fest. Wenn der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter, der die Quote weiterführen will, davon spreche, dass es ohne die Quote einen Preisverfall gebe, liefere er dem Einzelhandel sogar noch ein Alibi. Der Preisverfall habe bereits im September 2014 begonnen, als Aldi den Preis für Butter um 50 Cent pro Kilogramm Butter gesenkt habe.
Ferkel aufziehen lohnt nicht mehr
Landwirtschaftsmeister Jonas Rühr (30) in Obristfeld bewirtschaftet mit seiner Familie 80 Hektar Ackerland und zehn Hektar Grünland. Er hält 80 Zuchtsauen, die er bei weiterem Preisverfall aufgeben wird. Bei einem Besuch auf dem Hof mit Kreisbäuerin Marion Warmuth, ihrer Stellvertreterin Martina Weiß, Michael Bienlein und stellvertretendem BBV-Kreisobmann Rudi Steuer, rechnete Michael Bienlein vor, dass 2013 ein Kilo Lebendgewicht Schweinefleisch 1,45 Euro gekostet hat, im August 2015 allerdings nur noch 1,13 Euro. Da sei es günstiger die Ferkel zu kaufen, als sie selbst großzuziehen, sagte Jonas Rühr. "Nötige Investitionen lohnen sich nicht", so sein Fazit.Kritisch sah der Jungbauer die Einmischung der Politik in die Landwirtschaft. Der Staat sei hierzulande stets bereit, neue Aufgaben zu übernehmen, die die Bürger - so die fadenscheinige und ökonomisch unhaltbare Begründung - nicht selbst erledigen können. Für neue Aufgaben werde ganz schnell Geld bereitgestellt und administrative Strukturen aufgebaut. "Wir sind keine freien Unternehmer mehr", kritisierte Jonas Rühr. Der Bauer müsse selber entscheiden, was auf seinem Hof passiert, forderte er.
In Ebneth lernten die Teilnehmer der Exkursion einen Hof kennen, der durch den Milchpreisverfall in arge Bedrängnis gerät. 100 Kühe stehen bei Stefan Huth (32) im Stall. Auf 85 Hektar Ackerland wird überwiegend Futter angebaut. Vater Adolf hat einen Ordner aus dem Jahre 1984 geholt. "Damals bekamen wir 59,58 Pfennig für den Liter Milch, heute sind es 30,55 Cent", stellte er fest. In der Landmaschinenwerkstatt kostete die Stunde 46,50 Mark, die 73 Litern Milch entsprachen. Heute koste die Stunde 67 Euro, dafür müsste man 219 Liter Milch produzieren. Die Produktion habe sich zwar seit dieser Zeit verdoppelt, aber die dreifache Menge wäre nötig, um die Kosten aufzufangen.
Investitionen in neue Technik seien so nicht möglich, ergänzte Marion Warmuth, geschweige denn, einen neuen Stall zu bauen. Norbert Hofmann, Landwirt aus Kösten, hat kürzlich einen neuen Milchviehstall gebaut. Auch er könne nur seinen Verpflichtungen nachgehen, wenn der Milchpreis über 30 Cent liege. Sein Sohn, der eine feste Arbeitsstelle im elterlichen Hof hatte, müsse "wieder auf die Arbeit gehen". Huth ist ein Landwirt und will weitermachen. Allerdings müsse sich der Preis für den Liter Milch wieder nach oben bewegen. "Wenn nicht, dann fahr' ich den Betrieb gegen die Wand", sagte er.