Die Opfer leiden noch heute
Autor: Udo Güldner
Bamberg, Mittwoch, 04. August 2021
Strafprozess Zwei Angeklagte müssen sich vor dem Landgericht wegen brutalen Raubes verantworten. Im schlimmsten Fall droht ihnen eine lebenslange Haftstrafe.
Am zweiten Verhandlungstag vor dem Landgericht Bamberg äußerste sich einer der Angeklagten , nennen wir ihn Radu. Der andere schwieg weiterhin. Beide sollen im Herbst 2020 in Bamberg , Ingolstadt und Vöhringen drei ältere Menschen verfolgt, brutal niedergeschlagen und ausgeraubt haben. Ihre arg- und wehrlosen Opfer erlitten lebensgefährliche Verletzungen und kämpfen teilweise noch heute mit den Spätfolgen. Dabei erbeutete man insgesamt gerade einmal 4800 Euro.
„Wo lernt man denn so gut lügen in Bukarest?“ Lange hat Oberstaatsanwalt Michael Hoffmann der Geschichte zugehört, die Radu erzählt hat. Dass es keinen gemeinsamen Plan gegeben habe. Dass man nicht absichtlich Alte und Schwache ausgesucht hätte. Dass man die Opfer nicht habe töten wollen ...
„Alles verspielt und versoffen“
Wenn man den Worten des redseligen Radu glauben mag, haben sich die beiden Männer, die sich seit ihrer Kindheit kennen, nach Jahrzehnten ganz zufällig wiedergetroffen. Der eine, der nach einer Flucht vor der rumänischen Justiz schon sechs Jahre in Deutschland lebt, hat seinen „Kumpel“ hergeholt, damit der arbeiten kann. Denn Radu braucht nach einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss und dem Verlust des Führerscheins einen Chauffeur. Einen, der ihn zum Einkaufen und zum Ausrauben bringt. Schließlich soll das Kapitalverbrechen nicht an einer einfachen Verkehrskontrolle scheitern.
Die Beute will Radu auf den Kopf gehauen haben. „Ich habe alles verspielt und versoffen.“ Er sei spielsüchtig, habe sogar das Essensgeld seiner Kinder in die Spielothek getragen und in blinkende Automaten versenkt. Was den Schnaps angeht, so will Radu täglich Wodka und Whisky in medizinisch bedenklichen Mengen in sich hineingeschüttet haben. Von Ausfallerscheinungen bei den Überfällen , etwa Fehlschlägen, ist jedenfalls nichts bekannt. Bis zu zweieinhalb Flaschen sollen es im Laufe eines Tages gewesen sein. Ob das tatsächlich so stimmt, das wird der psychiatrische Gutachter Dr. Thomas Wenske aus Erlangen an einem der nächsten Prozesstage noch zu klären suchen.
Zumindest wird die Stoßrichtung der Verteidigung deutlich. Zum einen möchte man von dem Vorwurf des versuchten Mordes in drei Fällen weg. Denn dafür könnte man nicht nur eine langjährige Haftstrafe verhängen, sondern auch eine anschließende Sicherungsverwahrung . Wenn die Strafkammer zur Überzeugung kommt, dass von Radu und seinem „Kumpel“ eine ernste Gefahr für andere Menschen ausgeht, auch Opfer solch skrupelloser Überfälle zu werden. Dann könnte es sein, dass Radu und sein Landsmann sehr, sehr lange hinter Gittern bleiben, schlimmstenfalls ein Leben lang. Deshalb berichtete Radu auch davon, dass er nicht etwa einen Hammer benutzt hätte, sondern einen Ring mit metallischem Aufsatz. „Ich habe ihn nur genommen, um meine Hand beim Schlag zu schützen.“ Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Manfred Schmidt , warum Radu denn eine 88-jährige Frau, die mit einem Rollator unterwegs war, nicht einfach umgeschubst habe, statt sie mit voller Wucht am Kopf zu treffen, wusste Radu freilich keine Antwort. „Die Rentnerin hätte Sie doch nie verfolgen können.“