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Bamberg zittert um Auto-Jobs


Autor: Michael Wehner

Bamberg, Montag, 16. Dezember 2019

Michelin, Bosch und dann auch noch Brose. Die Talfahrt der deutschen Automobilindustrie schlägt mit voller Wucht auf Bamberg durch. Hunderte von Jobs gehen in der Region verloren. Doch es gibt auch Zeichen, die Hoffnung machen.
Dunkle Wolken über dem Auto-Standort Bamberg: Bei Michelin gehen 2021 die Lichter aus. Bosch und Brose bauen Jobs ab.  Foto: Ronald Rinklef


Michael Wehner Bamberg — Es ist ein wolkenverhangener Mittwoch im September, als im Industriegebiet in Hallstadt die Bombe platzt: In einer kurzfristig einberufenen Betriebsversammlung erfährt die Belegschaft des Reifenherstellers Michelin, dass der Standort Hallstadt zum 31. Januar 2021 geschlossen werden soll. Der Schock hätte kaum größer sein können: Noch 2018 war mit der französischen Unternehmensleitung ein Standortsicherungsvertrag abgeschlossen worden. Danach hätte das Hallstadter Werk mindestens bis 2022 Bestand haben sollen. Doch daraus wird nichts - nicht zuletzt wegen der Absatzschwierigkeiten für die 16-Zoll-Reifen. Für Bamberg bedeutet das: Allen Protesten gegen den Vertragsbruch zum Trotz steht eine fast fünf Jahrzehnte anhaltende Erfolgsgeschichte vor dem Ende. 860 Beschäftigte verlieren ihre Jobs. Ein riesiges Industriegelände sucht eine neue Nutzung.

Die Hiobsbotschaft erschüttert nicht nur Hallstadt, sondern die gesamte Region Bamberg, in der 20 000 Beschäftigte von Wohl und Wehe der Automobilzulieferindustrie abhängen.

Wie wenig sicher deren Perspektiven nach einer jahrelangen Aufwärtsbewegung sind, zeigt nicht nur der Fall Michelin, sondern eine ganze Reihe von Krisennachrichten, die sich wie ein roter Faden durch das Jahr 2019 ziehen und Bamberg um die Zukunft seiner wichtigsten Branche bangen lässt. Bereits im April waren 3000 Boschler auf die Straße gegangen, um am lebenden Beispiel zu demonstrieren, was für die Region auf dem Spiel steht, wenn Bosch wackelt. Denn käme die schnelle Elektrifizierung der Fahrzeugflotten, wäre ein Großteil der heute noch 7000 Jobs bei Bosch in Bamberg bedroht, weil der Schwerpunkt nach wie vor auf der Produktion von Dieselkomponenten liegt.

Wie sehr die unsichere Zukunft einer Schlüsselindustrie auf Bamberg lastet, zeigen unterdessen auch andere Zahlen: Die Bamberger Gewerbesteuereinnahmen brechen 2019 und 2020 kräftig ein, so dass die Stadt erstmals von einem 100-Millionen-Loch im Haushalt spricht. Dazu beigetragen hat nach dem Ausfall des größten Unternehmens in der Region, Bosch, auch ein anderer Branchenriese: Brose. So muss 2019 auch das fränkische Vorzeigeunternehmen Federn lassen. Im November kündigt die Geschäftsführung den Abbau von 2200 Arbeitsplätzen in Deutschland an; 400 sollen es einer ersten Meldung zufolge in Bamberg und Hallstadt sein.

Doch es gibt auch gute Zeichen im Krisenherbst 2019. Der Ausbau des Brose-Standorts an der Breitenau in Bamberg ist nur verschoben nicht aufgehoben, heißt es in der Zentrale des Familienunternehmens. Das Grundstück, das Brose von der Stadt gekauft hat, bleibt deshalb ausgespart von den Naturschutzplänen der Stadt. Und auch Bosch sorgt zum Ende des Jahres wieder für versöhnliche Nachrichten. Ein von vielen begrüßter Standortsicherungsvertrag garantiert den Bestand von Bosch in Bamberg bis 2026 und steht für das Wirgefühl der Belegschaft. Denn für den Kompromiss verzichten 7000 Mitarbeiter auf einen Teil der Arbeitszeit - und des Gehalts.

Die Zukunftshoffnungen bei Bosch ruhen indes auf zwei Säulen: den wenig bekannten E-Fuels, aus nachwachsenden Rohstoffen erzeugten synthetischen Kraftstoffen, und der mobilen Brennstoffzelle. Sie soll als Antriebseinheit einmal den Diesel ersetzen. Für Bamberg wäre das ein Riesenerfolg.