Ausm Glosscherbn-Viertel: von Windhosen und Brusteinlagen
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Bamberg, Mittwoch, 31. August 2016
Neulich wurde in einem FT-Artikel das "Glasscherbenviertel" in die Breitenau versetzt. Sofort beschwerte sich ein aufmerksamer Leser am Telefon und holte es...
Neulich wurde in einem FT-Artikel das "Glasscherbenviertel" in die Breitenau versetzt. Sofort beschwerte sich ein aufmerksamer Leser am Telefon und holte es in die Wunderburg zurück, wu's ja aa hiighört.
Nun muss ich aber schon sagen, dass es früher nicht unbedingt den besten Ruf hatte. "O je, deä kummt ausm Glosscherbnviertl!" Auch "Baracker" wurden die Leut, vor allem die Fußballspieler, die von dort kamen, genannt, wegen der Baracken, die damals an der Bahnlinie nach Nürnberg standen. Aber der Anrufer war sehr stolz darauf, dass er aus dem Glasscherbenviertel stammte, auch weil das bei Auseinandersetzungen mit den anderen Stadtteilen durchaus von Vorteil war: "Do hom mä fei kräftich hiegälangt, wenns nötich woä! Miä worn scho wer!" Mit den Wunderburgern legte man sich nicht gern an!
Bereitwillig erklärte er auch den Namen "Glasscherbenviertel": Im August 1928 zog eine Windhose durch die Südflur und in
den Häusern der "oberen Gärtner" ging vieles zu Bruch, nicht nur die Fensterscheiben, auch die gläsernen Abdeckungen der Mistbeete - nix wie Scherbn!
Trotz vieler Recherchen konnte ich nicht klären, ob nun die ganze Wunderburg "Glasscherbenviertel" genannt wird, oder nur bestimmte Straßenzüge gemeint sind. Aber erzählt wurde mir, dass es auch in Großstädten wie München oder Frankfurt Glasscherbenviertel mit einem ähnlichen Ruf gibt - sogar ohne Windhosen!
Im Bamberger Glosscherbnviertl spielt aa des folgende Gschichtla, bei dem es weniger um Hosen und mehr um das weibliche Stockwerk darüber geht.1946 ließ sich der Willi, der bei der ersten freien Wahl Drittter Bürgermeister geworden war, von der Gunda scheiden, weil sie angeblich nicht zu seinem neuen Amt passte. Sie bekam nur wenig Unterhalt von ihm und musste sich Putzplätze suchen.
Im Glasscherbenviertel hat sie dann eine billige Wohnung gefunden und auch allmählich ihre Nachbarn kennengelernt. Ein rüstiger Rentner aus dem Hinterhaus ist ihr auffällig oft über den Weg gelaufen und hat ihr die Einkaufstasche und auch Holz und Kohlen in die Wohnung getragen. "Bild ich miä des ei - odä hot deä wirklich a Aach auf miä"?, hot sich die Gunda gfroocht. Auf einmal war sie wie umgedreht und ist richtig aufgelebt. Sie hot sich heägäricht und zägoä aufgädögglt! Der Schorsch war entzückt und die Zwaa worn verliebt wie a jungs Pärla. Jeden Abend wartete er auf sie vor dem Haus, in dem sie putzte.
Einmal ging sie zum Einkaufen nei des klaana Lebensmittlgschäft in der Nachbarschaft. Da hat sie drei alte Bekannte getroffen, die Marri, die Rettl und die Betti.
Die hat die Gunda gleich gefragt: "Du, sooch amol, du bist fei etz do vorn" - und sie deutete auf ihren Busen, "so schöö beiänander und frühä worst du doch ehrä vo ,Gladdbach'! Könnst mä net des Rezept värrotn? Mein Moo tät des bestimmt aa gfalln!" Die Gunda war eine ehrliche Haut: "Mit an Rezept is do nix! Obä, wal du's bist: Drübn beim Mieder-Hertlein gibt's so Einlagn in alla Größn! Musst halt klaa oofanga und sie bloß longsom wachsn lossn. Wennst gleich ,groß' nimmst, fällst zä orch auf!"
Fühlt sich wie echt oo
Die drei Frauen waren so gespannt, drängten und gaben keine Ruhe, bis die Gunda so ein Teil herausnahm und es ihnen zeigte.
"Hei, des fühlt sich wie echt oo und is so schöö waach!", rief die Marri und die Rettl drauf: "Und zägoä a Knöppela is vorn droo!"Gänzlich unbeachtet, aber sehr neugierig, stand hinten im Laden die zehnjährige Anna, die sich nichts entgehen ließ. Ob ihre Mama wohl auch so etwas hatte? Sie überlegte hin und her, wie sie das herausfinden könnte. Abends im Bett kam ihr schließlich eine Idee, die sie nicht einschlafen ließ. Gegen Mitternacht schlich sie in da Elternschlafzimmer, wo die Kleider ihrer Mutter über einem Stuhl hingen. Im Dunkeln suchte und tastete sie, fand aber nichts. Und dabei passierte es: Trotz aller Vorsicht stieß die Anna dabei an einen Stuhl. Die Mutter schreckte aus dem Schlaf hoch und schimpfte. "Wos suchstn du do mittn in deä Nocht, du Lüschla? Do hört sich doch alläs auf!" Aber ihre Tochter, gar nicht kleinlaut, antwortete schnell: "Etz waaß i endlich, dass deä Babba doch recht hot, wenn eä immä secht: Wie ihä gheiärt hobt, do host du vorn und hintn nix ghobt! Dass du vorn nix host, des hob i heut rausgriecht. Obä, Mammma, etz zeich miä halt amol, wus du hintn aa nix host!"