Druckartikel: Auf DFB-Elf gesetzt und doch gewonnen

Auf DFB-Elf gesetzt und doch gewonnen


Autor: Ralf Kestel

Reutersbrunn, Samstag, 09. Juli 2016

Eine Stammtisch- und Expertenrunde analysierte in Reutersbrunn nahezu täglich die EM-Spiele und legte sich samt Wetteinsatz auf den Ausgang der jeweils nächsten Partien fest. Der Gewinner kommt aus Kirchlauter und ist Mitglied beim Fanclub Nationalmannschaft.
Norbert Zier aus Ebern (links) gibt eben seinen Tipp fürs Halbfinale gegen Frankreich ab (womit er falsch lag), wobei einer der Oberaufseher, Robert Quicksall aus Reutersbrunn (rechts), über den ordnungsgemäßen Eintrag mit dem fälschungssicheren Originalstift wacht. Foto: Ralf Kestel


Die Entscheidung ist schon gefallen, im kleinen Eberner Stadtteil, der vom Wald nur so umgeben ist, steht der Sieger schon vor dem Endspiel fest. Er heißt Christoph Gockler und stammt aus Kirchlauter. Er ist auch zahlendes Mitglieder des DFB-Nationalmannschaft-Fanclubs und hat natürlich auf "seine Mannen" gesetzt in der "zwanglosen Tippgemeinschaft Hohler Stein", einer Runde von (h)ausgemachten Fußballexperten.
Beileibe keine Hinterwäldler also, die sich abseits des Lotteriegesetzes auf die europäische Bühne wagten, um per Spielwette ihren Europameister zu küren. Da waren echte Fußballkenner darunter, die ihre aktuellen Spieltipps mitunter per Brief, SMS oder Whatsapp übermittelten.
Das Verfahren war kein einfaches. Die Mitglieder dreier Stammtische warfen ihr vermeintliches Fachwissen zusammen, um in den sportlichen Wettstreit einzutreten. Fast wie bei einem Kochduell im Fernsehen. Und jeder gab seinen Senf dazu. Doch diesmal verdarben die vielen Köche keinen Brei.


Diffiziles System

Für die Regularien indes wurden vielerlei Ingredienzien zusammengemischt. So zum Beispiel eine Jokerwertung. Wer sich also des Ausganges eines Spieles sicher war, konnte per Textmarker einen Joker setzen, um so bei richtiger Wertung einen Zusatzpunkt zu ergattern.
Besonders wertvoll, wenn exakt das Endergebnis in den Spielbogen eingetragen war. Zwei Pluspünktchen gab es, wenn die Tendenz eines Spielausgangs stimmte (Sieg, Niederlage oder Unentschieden). Ein ebenso ausgeklügeltes wie diffiziles Punktesystem, das nach ständiger Kontrolle verlangte.
Über die jeweiligen Einträge wachte eine dreiköpfige Jury, auch Controller genannt, wobei Ralph Drescher aus Ebern als unbefangener Nicht-Wetter die Oberaufsicht führte. Vollkommen neutral und gegen vaterländische Überlegungen gefeit war Robert Quicksall, der als US-Amerikaner bei einer Europameisterschaft keines falschen Nationalstolzes bezichtigt werden konnte, der Aktion aber internationales Flair verlieh.


Tägliche Auswertung

Als Steuerberater im Ruhestand oblagen Roland Zier die buchhalterischen Aufgaben, die er mit Akribie und eigenem (Rot-) Stift wahrnahm. Er sorgte auch für die täglich ergänzten Spielbögen, die jeweils ab 11 Uhr die Ergebnisse vom Vorabend zuverlässig auswiesen, damit die nächsten Tipps eingetragen werden konnten.
Und so herrschte seit dem ersten Anstoß zur Fußball-Europameisterschaft emsige Betriebsamkeit im Wettlokal, dem Gasthaus "Zum hohlen Stein", wo spätestens zur Mittagsstunde die aktuellen Ergebnisse eingetragen waren und die Hochrechnungen vorlagen.
Wurde die Vorrunde noch en bloc getippt, durfte die tägliche Nachschau nicht fehlen. Aber auch nach spielfreien Abenden während der K.o.-Runden versammelte sich die Jury zwecks Sichtkontrolle.
Die Teilnehmer an der "zwanglosen Tippgemeinschaft", vom Firmen-Chef über den Rentner bis zum Jungspund, stammen aus einem weiten Umkreis von Bischofsgrün über Kemmern, Gemünda bis nach Kirchlauter.


Sieger muss zahlen

Dem Sieger winkt im Übrigen der komplette Wetteinsatz, der aus zehn Euro bestand. Im Gegenzug hat sich aber jeder Teilnehmer für den Fall des Sieges verpflichtet, der gesamten Truppe eine fränkische Brotzeit (samt aller Getränke) zu spendieren. "Da reicht die Siegesprämie nie im Leben", hat ein Teilnehmer schon hochgerechnet.
Es ging also um die Gaudi und den Vorwand der Fußballexperten, mal in der Gaststätte "Hohler Stein" vorbeischauen zu müssen. Zwecks Hochrechnung.
Da maximal nur noch vier Punkte zu vergeben sind und Christoph Gockler aus Kirchlauter mit 86 Punkten sieben Zähler vor dem Vorrunden-Primus Tobias Spieß aus Breitengüßbach liegt, steht er bereits vor dem Endspiel als Sieger fest. Auch wenn seine DFB-Elf, wie er, das Finale am Sonntag nur am Fernseher anschaut.