Druckartikel: Auch die Lehrer tragen Verantwortung

Auch die Lehrer tragen Verantwortung


Autor: red

Coburg, Dienstag, 11. November 2014

Zum Artikel "So einen Fall gab es noch nicht" (Tageblatt vom 8. November) erreichte uns folgende Zuschrift : Beim Lesen des Artikels über das Urteil des Landgerichts Coburg wegen d...



Zum Artikel "So einen Fall gab es noch nicht" (Tageblatt vom 8. November) erreichte uns folgende Zuschrift :

Beim Lesen des Artikels über das Urteil des Landgerichts Coburg wegen der Punkteanhebung im Abitur 2013 durch Burkhard Spachmann stellten sich mir ganz andere Fragen, als die der Schuld oder Unschuld des Schulleiters. Als Pädagogin und Mutter zweier Kinder bin ich täglich mit Schule, Unterricht, Leistungserhebung und Leistungsbewertung befasst.
Woran lag es, dass 2012 und 2013 rund ein Viertel der Abiturienten Deutscharbeiten, die mit der Note 5 oder 6 bewertet wurden, abgaben? War die Aufgabe zu schwer, war der vorbereitende Unterricht nicht intensiv genug? Wie war der Bewertungsmaßstab? Es kann doch nicht sein, dass in zwei Abiturjahrgängen hintereinander an einem sprachlich ausgerichteten Gymnasium überdurchschnittlich viele mangelhaft und ungenügend begabte Schüler sitzen. Wie haben denn diese Schüler mit solch eklatanten Mängeln die Zulassung zum Abitur geschafft? Lehrer sind gemeinhin gehalten, die Notenverteilung bei einer Klassenarbeit der Gaußschen Normalverteilung anzupassen. Das heißt, es gibt sehr wenige sehr gut und sehr schlecht bewertete Arbeiten, mehr gut und ausreichend bewertete und viele, die als befriedigende Leistungen beurteilt werden. Das gelingt nicht immer genau, dennoch soll der Schnitt einer Arbeit nicht zu gut und nicht zu schlecht sein. Es kann vorkommen, dass man sich für einen zu guten oder schlechten Klassendurchschnitt vor dem Schulleiter, vor den Eltern oder Schülern rechtfertigen muss. Dann müssen Maßnahmen ergriffen werden. Die Arbeiten werden analysiert.
Wie war die Vorbereitung, die Bepunktung, die Bewertungskriterien, die Vorbereitung auf die Arbeit? Ganz sicher ist die Anhebung der Punktezahl durch den Schulleiter nicht die dauerhaft richtige Antwort auf ein solches Prüfungsdebakel. Aber welchen anderen Lösungsansatz gäbe es? Nach Staatsanwalt Karr wurde durch die Anhebung der Noten "die Chancengleichheit von Schülern anderer Schulen verletzt". Diese Chancengleichheit wird allerdings auch durch verschiedene Lehrerpersönlichkeiten, andere Unterrichtsstile, unterschiedliche Material- und Raumausstattung und viele andere Dinge mehr wie zum Beispiel individuelle Korrekturkriterien stark verletzt. Über Chancengleichheit kann man bei der Bewertung von Leistungen überhaupt nicht sprechen, so sehr wir Lehrer auch bemüht sind.
Vielleicht wird andersherum ein Schuh draus. Wenn wir alle davon ausgehen, dass die Begabungsmischung an allen Gymnasien ungefähr der Normalverteilung entspricht, dann müssten auch an allen Gymna sien die Noten ungefähr der Normalverteilung entsprechen. Wenn dies - wie am Casi - nicht der Fall ist, müssen Maßnahmen ergriffen werden. Manchmal müssen sogar Lehrer, die den Stoff nicht so vermitteln, dass Schüler ihn begreifen, anwenden und umsetzen können, an anderer Stelle eingesetzt werden. Vielleicht kämen wir da eher zu einer "Chancengleichheit".
Susanne Gerhardt
Coburg