Asyl-Appell schlägt hohe Wellen
Autor: Jutta Behr-Groh
Bamberg, Mittwoch, 06. August 2014
Konversion Der von der GAL-Fraktion initiierte Vorschlag, leer stehende Kasernen-Gebäude vorübergehend für Flüchtlinge zu nutzen, ruft heftige Reaktionen hervor. Viele fürchten, es sei ein großes Lager gemeint.
von unserem Redaktionsmitglied
Jutta Behr-Groh
Bamberg — Aus Berlin und München gibt es noch keine Reaktionen. Dort sitzen die Hauptadressaten des "Bamberger Asyl-Appells: Wir haben Platz für Asylsuchende". 35 Persönlichkeiten fordern darin die für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständigen Landes- und Bundesbehörden auf, vorübergehend auf leer stehende Kasernen-Gebäude zurückzugreifen.
Umso größer ist das Echo vor Ort in Bamberg. Die Wogen schlagen ähnlich hoch wie vor drei Jahren, als die so genannte HWKW an der Memmelsdorfer Straße als mögliche Sammelunterkunft im Gespräch war.
Damals wie heute steht die Stadt vor der Situation, dass sie von der Regierung ein Kontingent an Flüchtlingen zugewiesen bekommen wird und unterbringen muss. Zu den 276 Asylsuchenden (Stand: 8. August 2014) dürften bis Jahresende durchschnittlich weitere fünf pro Woche hinzukommen. Man sei zuversichtlich, Platz für sie zu finden, sagt Stadt-Pressesprecherin Ulrike Siebenhaar.
GroKo reagiert empört
Die beiden größten Stadtratsfraktionen berufen sich in einer gemeinsamen Pressemitteilung auf ihre Worte: "Zur Zeit besteht nach Auskunft der Stadt Bamberg kein Mangel an Unterbringungsmöglichkeiten für Asylbewerber." CSU und SPD lehnen entschieden die Initiative ab, die ihre "grüne" Stadtrats-Kollegin Ursula Sowa ins Leben gerufen hat. Sie warnen vor "populistischen Schnellschüssen und unüberlegten Alleingängen". Man sieht die Gefahr, dass "eine, auch nur teilweise Besiedelung der Konversionsfläche . . . die Gestaltungsmöglichkeiten der Stadt zunichte machen" würde.
Im Asyl-Appell werden zwar keine Zahlen genannt, doch das veröffentlichte Meinungsbild zeigt: Viele verstehen den Aufruf als Signal an die Bundes- und Landesbehörden, Bamberg als Standort für ein großes Aufnahmelager zu prüfen. Entsprechend scharf reagiert SPD-Fraktionsvorsitzender Klaus Stieringer: "Ich kann kein Erstaufnahmelager im Bamberger Osten vorschlagen, wenn ich nicht zuvor mit den betroffenen Menschen und den Bürgervereinen intensiv gesprochen habe."
Die dem Konversionsgelände nächsten Bürgervereine (BV) Bamberg-Ost und Gartenstadt haben aus dem FT von der Initiative erfahren. Sowohl der stellvertretende Vorsitzende des BV Ost, SPD-Stadtrat Heinz Kuntke, als auch sein Gartenstadter Kollege Peter Neller (CSU) erheben den Vorwurf an Sowa, sich und die GAL ins Licht setzen zu wollen, ohne die möglichen Konsequenzen zu bedenken. "Man muss immer aufpassen, dass es nicht zu Reaktionen kommt, die wir alle nicht wollen", so Kuntke. Auch Neller hegt die "Sorge, dass das Angebot missverstanden wird".
Wie Sowa auf Nachfrage betont, sei ein Lager wie in Zirndorf keineswegs die Intention. Der Appell beziehe sich auf das der Stadt angekündigte Kontingent: "Wenn heuer 100 Flüchtlinge kommen, ist das viel."
Sowa: Kein zweites Zirndorf
Ihr und den Erstunterzeichnern gehe es um Zweierlei: Menschen zu helfen, die zur Zeit in wachsender Zahl Zuflucht in Deutschland suchen, und mit Leerstand vernünftig umzugehen. Der Appell solle die Freigabe von Häusern durch die zuständigen Bundesbehörden beschleunigen, damit sie den Winter über nicht leer sondern für eine sinnvolle Zwischennutzung zur Verfügung stehen.
Weil es in der Kaserne "Wohnraum in Hülle und Fülle" gibt, so die GAL-Frau, müssten Wohnungssuchende keineswegs befürchten, das Nachsehen zu haben. Auch dies ist eine Sorge, die Leser - teils sehr emotional - in den Internet-Kommentaren formuliert haben (siehe unten).
Aus politischen Kreisen müssen sich Sowa und ihre Mitstreiter den Vorwurf gefallen lassen, sie würden den erklärten Willen des Stadtrats ignorieren, Asylbewerber dezentral unterzubringen. Im Sommer 2011, als es um eine mögliche Sammelunterkunft in der HWKW ging, wurde dieser Beschluss gefasst. Er gilt weiter. Daran erinnern in ihren Reaktionen neben CSU und SPD auch Dieter Weinsheimer (FW), Martin Pöhner (FDP) und Daniela Reinfelder (BUB).
"Dann hätten wir die Breitenau schon nicht erweitern dürfen", hält Sowas Partei-Kollegin Christiane Laaser dagegen, die selbst in der Flüchtlingsarbeit aktiv ist. 185 der 276 Asylbewerber wohnen aktuell dort.
Zu den 35 Erstunterzeichnern des umstrittenen Asyl-Appells gehören namhafte Bamberger wie Herbert Lauer, die kein grünes Parteibuch haben. Er kommentiert die Debatte mit dem Hinweis: "Bevor die Gebäude leer stehen und wenn wir ohnehin verpflichtet sind, die Flüchtlinge aufzunehmen" sei das ein guter Vorschlag. Lauer unterstützt ihn ausdrücklich als Alt-Oberbürgermeister und nicht als Stadtrat der Freien Wähler.
Viel Zustimmung online
Während in Bamberg kontrovers diskutiert wird, findet die von der Initiative gestartete Online-Petition breite Zustimmung: Seit Dienstag haben 875 Personen (Stand: Freitag, 17 Uhr) unterschrieben. In einer nichtrepräsentativen Umfrage auf infranken.de heißen 53,16 Prozent den Appell gut.