Armes, wildes Mädchen
Autor: Rudolf Görtler
Bamberg, Dienstag, 21. März 2017
Mit der verschlankten Version eines Lewandowski-Stücks über Janis Joplin überzeugten zwei tolle Schauspielerinnen und eine klasse Band in der Alten Seilerei.
Rudolf Görtler
Sie ist immer noch die Größte, auch 47 Jahre nach ihrem Drogentod. Mit einer Stimme, die klang, als ob eine Puffmutter über die Mauer ihres Bordells rufe: Komm rein!, wie es seinerzeit hieß, sang, nein brüllte, kreischte, schrie sie das Hohelied von Sex and Drugs and Rock 'n' Roll. Janis Joplin ist ein Mythos, zweifellos.
Vor zweieinhalb Jahren machte Rainer Lewandowski am E.T.A.-Hoffmann-Theater eine biografische Revue mit dem Titel "Peace Of My Heart" aus dem kurzen Leben der Rocksängerin. Sie geriet arg langatmig, wie in dieser Zeitung zu lesen war, schulfunkhaft. Die Leistung der beiden Hauptdarstellerinnen, quasi zwei Seiten der Janis Joplin, blieb davon unberührt. Und eben diese beiden, Sybille Kreß und Elena Weber, haben das Stück zusammen mit Regisseurin Nina Lorenz und Arrangeur Konrad Haas überarbeitet und in der Alten Seilerei neu aufgeführt.
Und es ist gut geraten, ja hervorragend. Die vier haben alle überflüssige Schlacke aus dem vormals behäbigen Bio-Drama entfernt, 60er-Jahre-Klischees auch. Stattdessen wird die Handlung allein von den zwei Schauspielerinnen vorangetrieben, die alles geben. Sie spielen im Wesentlichen die Janis, gelegentlich auch einmal deren Mutter. Denise Leisentritt hat ihr Bühnenbild auf einen Kleiderhaufen reduziert, aus dem sich Janis in jeder Szene neu bedient, karg, aber effektvoll.
Gut und unaufdringlich macht diese Version die Zerrissenheit des texanischen Mädchens deutlich, hoch begabt wohl, eine Außenseiterin, die zwischen Anpassung und Rebellion schwankte, exzessiv gelebte Sexualität als Emanzipation missverstand und schließlich im Drogensumpf versank. Natürlich ist auch das nur eine Mutmaßung, so wie jede Biografie immer nur eine Annäherung an die Realität sein kann.
Mit feinem Gespür
Aufstieg und Niedergang der an Vorbildern wie Bessie Smith geschulten Blues-Röhre werden mit feinem Gespür für dramatische Ökonomie abgehandelt. Apropos Ökonomie: Überdeutlich wird auch, wie die vermeintliche Gegenkultur den Verwertungsgesetzen des kapitalistischen Marktes unterlag. Clevere junge Rockkapitalisten und geldgierige Manager erkannten schnell, wie viel Geld mit den Jungen und ihrer Musik zu verdienen war. Auch die wechselnden Bands Joplins waren dem Drängen des Managements geschuldet - am charmantesten wirkt bis heute der rohe, punkige Sound von Big Brother & The Holding Company, der ersten, mit der sie in Monterey den Durchbruch schaffte. Womit die eigentliche Hauptsache dieses "Abends über Janis Joplin" genannt wäre. Konrad Haas (Keyboard, Gitarre) hat eine grandiose fünfköpfige Band zusammengestellt, die nicht nur die bekanntesten Joplin-Songs wie "Try (just a little bit harder)", "Ball and Chain", "Down on Me" und, natürlich, "Me & Bobbie McGee" heraushaut. Zwei Gitarren (Jürgen Hoffmann auch mit einer wunderbaren Slide, Martin Vogel, auch an der Violine), Bass (Michael Schmidt), Schlagzeug (Joachim Leyh) geben den Hintergrund für die Vokalexzesse von Kreß und Weber.
Die beiden sind versierte Sängerinnen, die auch Verhalteneres wie Buffy Sainte-Maries "Codine" säuseln können. Ohne Zugabe ging's nicht: Cry Baby und Move over für viele weitere Aufführungen!
Weitere Vorstellungen von "Peace Of My Heart" sind in Planung.