Anti-Diva mit Tunika
Autor: Thomas Ahnert
Bad Kissingen, Sonntag, 19. November 2017
Statt mit dem anderen Geschlecht rechnet Lizzy Aumeier mit Donald Trump, der AfD und absurden Schönheitsidealen ab - auch dank eines gnadenlosen Umgangs mit sich selbst.
Die Enttäuschung war Lizzy Aumeier ins Gesicht geschrieben, als sie im Kurtheater vor den Vorhang trat. Eigentlich hatte ja der Affe die Krönung der Schöpfung werden sollen: "Doch die Sache ging daneben, denn der Mann fing an zu leben." Aha!, denkt man sich, wieder einmal eine dieser Abrechnungen mit dem anderen Geschlecht. Das ist ja ein Thema, das im Augenblick Konjunktur hat, weil man da schon mindestens die Hälfte des Publikums hinter sich weiß. Aber das ist die größte - und auch einzige - Enttäuschung des Abends - für die Frauen: Die Abrechnung findet nicht statt.
Von Soldaten und Busfahrern
Das bedeutet aber nicht Entwarnung für die Männer. Denn sie geraten ja doch ins Visier der Kabarettistin. Sie ist eine große Kommunikatorin, die den Kontakt zum Publikum sucht - und findet. Und sie wendet sich zu allererst an die Männer in den ersten Reihen, die die Köpfe einziehen: "Wie heißt du? Was machst du beruflich - falls du dich daran erinnern kannst?" Sie gerät an Martin, Steffen und an Elmar, den ehemaligen Busfahrer. Später gerät sie an Michael. Der ist Berufssoldat. "Warst du schon im Ausland?", fragt sie ihn. "Ja, in Afghanistan." Das sei ein wunderschönes Land voller trauriger Menschen. Da wird sie schlagartig ernst und möchte wissen, ob das sein Leben verändert hat. Michael wird an diesem Abend zu ihrem Liebling.
Kennedys letzte Dienstfahrt
Lizzy Aumeiers kabarettistischer Stil ist schwer zu beschreiben; für sie gibt es keine Schublade. Sie feuert einen Witz nach dem anderen ab, durchaus rund um die Gürtellinie, aber eben geistreich, und erklärt dabei gleichzeitig die Welt - eine Kunst, von der die Comedians nur träumen können. Und dabei ist sie durchaus hochpolitisch: "Wer glaubt, dass die AfD Deutschland regieren kann, der glaubt auch, dass das Ordnungsamt einem die Wohnung putzt." Oder: "Wir sollten für Donald Trump sammeln und ihm ein Cabrio und ein Wochenende in Dallas schenken." Es dauert lange, bis beim Publikum der vorletzte Groschen gefallen ist, denn nicht jeder weiß sofort, wenn überhaupt, dass sie da auf die letzte Dienstfahrt von John F. Kennedy anspielt.Lizzy Aumeiers größtes Alleinstellungsmerkmal ist allerdings ihr gnadenlos ehrlicher Umgang mit sich selbst. "Mein Körper ist mein Kapital", hat sie einmal gesagt. So gesehen zählt sie zu den Reichen im Lande. Sie macht ganz auf Anti-Diva, kokettiert damit in einer enorm selbstironischen Weise. Und das schon bei ihren Klamotten: im ersten Teil mit einem stoffreichen Kleid im Stil einer römischen Tunika, im zweiten Teil eng anliegend schwarz. "Ich entdecke an mir immer mehr Körperteile, die in keinem Biologiebuch stehen", sagt sie mit Blick auf nicht zu übersehende Pölsterchen und Rettungsringe.
Absurde Schönheitsideale
Und sie verschweigt auch nicht, dass ihre Zuwächse nicht nur auf regelmäßigem Abendessen beruhen, sondern auch die Folge eines schweren Autounfalls vor sieben Jahren sind, nach dem sie in eine schwere Depression geraten war. Aber die ist vorbei. Und wenn sie eine Sängerin in einem Videoclip auf MTV parodiert, dann kokettiert sie damit, dass sie nicht dem stromlinienförmigen Schönheitsideal der heilen Fernsehwelt entspricht, und das Publikum lacht nicht nur über sie, sondern gleichzeitig über dieses Ad-absurdum-Ideal.
Halt mer zamm
Es sind nur wenige Augenblicke an diesem Abend, an denen nicht gelacht wird. Aber trotzdem spürt man deutlich, dass es Lizzy Aumeier hinter der Komik verdammt ernst ist. "Neid ist ja noch o.k. Aber die Missgunst ist so groß geworden", sagt sie plötzlich. "Halt mer zamm, sauf mer zamm!" Verständlicher lässt sich gesellschaftliche Solidarität zumindest im Südteil der Republik nicht einfordern."Bei meinem Hochzeitswalzer war ich zu besoffen." Und so ruft sie, um das Tänzchen nachzuholen, am Ende Klaus Stock auf die Bühne. Das ist ihr Mann. Programmatisch vielleicht nicht unbedingt zwingend, aber ungemein beruhigend. Denn er entspricht so gar nicht dem Bild vom Manne an sich, das Lizzy Aumeier in den zwei prall gefüllten Stunden immer wieder hatte aufblitzen lassen. Gott sei Dank!