Druckartikel: Ankunft und Aufschwung

Ankunft und Aufschwung


Autor: Dr. Manfred Welker

Herzogenaurach, Mittwoch, 02. Januar 2019

Kreisheimatpfleger Manfred Welker schildert in einem Aufsatz, welchen Anteil Heimatvertriebene an der wirtschaftlichen Entwicklung Herzogenaurachs nach dem Zweiten Weltkrieg hatten.
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs mussten Millionen von Menschen ihre Heimat in Ost- und Südosteuropa verlassen und flüchteten nach Deutschland, wie hier eine Gruppe Donauschwaben aus dem damaligen Jugoslawien. Foto: Donauschwäbisches Zentralmuseum


Im neuesten Bericht des Historischen Vereins Bamberg beschäftigt sich ein Aufsatz von Kreisheimatpfleger Manfred Welker mit der Aufnahme und der Eingliederung der Heimatvertriebenen in Herzogenaurach. Für den FT hat der Autor sein Werk zusammengefasst.

Nach den Wirren des Zweiten Weltkrieges kamen zu Beginn des Jahres 1946 die ersten Heimatvertriebenen in größerer Anzahl in der Stadt Herzogenaurach an. Im Jahr 1950 waren in Herzogenaurach 2079 Heimatvertriebene unter den 7242 Einwohnern zu finden.

Erste Anzeichen für Heimatvertriebene in größerer Anzahl gab es bereits im Juni 1945, kurz nach Kriegsende. Der katholische Stadtpfarrer Leonhard Ritter hatte in der Pfarrchronik notiert: "Der Herbst [1945] brachte einen neuen Alpdruck für die Bevölkerung. Die Völker des Ostens verfügten die Ausweisung von Millionen Deutscher aus ihren Gebieten. Bayern, das zur amerikanischen Zone (Besatzungszone) gehörte, musste sich zur Aufnahme von Millionen Ausgewiesenen bereit machen. Das Los der Ausgewiesenen war ein bitteres. Sie wurden buchstäblich von Haus und Hof verjagt. Erst später ließ man etwas mehr Menschlichkeit walten." Räte für die Heimatvertriebenen in den Gemeinden sollten zu Beginn des Jahres 1946 die örtliche Betreuung der entwurzelten Menschen verbessern.

Als im März 1946 der erste Transport mit Zwangsausgesiedelten ankam, die im Landkreis untergebracht werden mussten, verschärfte sich vor allem die Wohnungssituation. Aus Dürnbach an der Eger kamen insgesamt 33 Personen nach Herzogenaurach, wie sich Marianne Fritsch, verheiratete Runge, auch Jahrzehnte später noch erinnerte.

Zunächst hatten alle Familien der Heimatvertriebenen vorläufig nur Anspruch auf einen Raum. Familien mit Kindern unter 14 Jahren waren möglichst in heizbaren Räumen unterzubringen. Zur Unterbringung der Heimatvertriebenen sollten auch die Häuser, Landhäuser, Sommersitze und Jagdhäuser ehemaliger NS-Größen herangezogen werden. Wichtig war auch die Herrichtung von Baracken, wozu ehemalige Parteigenossen zwangsverpflichtet werden konnten. Dennoch mussten im Juni 1946 erste Zwangsräumungen zur Sicherung des dringlichsten Wohnraumbedarfes durchgeführt werden.

Erst der beginnende Neubau von Wohnungen und Häusern konnte diese Not lindern. Es entstanden in Herzogenaurach neue Siedlungen, die zum größten Teil von Heimatvertriebenen erbaut und bewohnt wurden. So entstand auf dem Areal zwischen Weihersbach und Dohnwald in den Jahren von 1950 bis 1952 die Neue Siedlung. Auch die Baugenossenschaft Eintracht in Herzogenaurach engagierte sich im Baubereich, ebenso konnte die St.-Joseph-Stiftung für die Erzdiözese Bamberg in Herzogenaurach in Verbindung mit dem Katholischen Werkvolk ein Bauprogramm anstoßen. Die Pfarrpfründestiftung stellte auf Erbbaurechtsbasis zu diesem Zweck an der Flughafenstraße ein 4,27 Tagwerk großes Grundstück zur Verfügung. Dort entstand 1953/1954 die sogenannte Werkvolksiedlung.

Viele Stellen bei der Firma Weiler

Wohnraum zu schaffen war die eine Aufgabe, den Neubürgern Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, eine weitere. In Herzogenaurach war vor dem Zweiten Weltkrieg hauptsächlich die Schuhindustrie vorherrschend. Ein Betrieb, der Menschen in Lohn und Brot brachte, war die Firma Weiler, gegründet bereits 1938 von Oberingenieur Friedrich Weiler. Anfang Juni 1945 konnte mit 25 Betriebsangehörigen die Produktion wieder aufgenommen werden. Die Belegschaft stieg auf 149 Mitarbeiter im Jahr 1946, im Jahr 1948 betrug sie 172. Mit ihrer Hilfe wurden in diesem Jahr 500 Mechanikerdrehbänke, 10 000 Handbohrmaschinen und 120 Häckselmaschinen hergestellt.

Die Papierfirma Glock wurde im Jahr 1939 in Düsseldorf gegründet. Kriegsschäden veranlassten die Firma Ende des Jahres 1944, nach Herzogenaurach überzusiedeln. Da die Stadt für einen verarbeitenden Betrieb verkehrstechnisch günstig lag, Herzogenaurach hatte einen Bahnanschluss, wurde ein Neubau der Fabrikationsgebäude in Herzogenaurach frühzeitig angestrebt. Die Firma erhielt im November 1945 das frühere Russenlager und das umliegende Gelände am Bahnhof als Industriegelände pachtweise zur Verfügung gestellt.

Aus Cottbus an die Aurach

Im Dezember 1945 wurde im Stadtrat beschlossen, der Firma Glock & Hübinger zusätzlich das ehemalige NSFK-Heim am Goldberganger mit den zwei Schuppen und einem Teil des Geländes zu überlassen. Die Glockwerke hatten 1950 in Herzogenaurach 111 Mitarbeiter. Das Areal und die Gebäude der Firma Glock & Hübinger wurden nach dem Tod ihres Gründers im Jahr 1956 von der Firma Schaeffler übernommen.

Eine weitere Firma, die sich in Herzogenaurach ansiedelte, war die von Theodor Fröhner, ursprünglich eine Weberei für Streichgarn und Kammgarn in Cottbus mit einer Streichgarnspinnerei im nahe gelegenen Spremberg. Hergestellt wurden Herren- und Damenanzugs- sowie Kostümstoffe in Kammgarn und Streichgarn sowie Paletots. Das Werk in Cottbus wurde im Februar 1945 zerstört, die Spinnerei blieb erhalten.

Theodor Fröhner wirkte als Geschäftsführer bei den Gebrüdern Schaeffler. Bereits in Münchberg begann er damit, Garne aus Augsburg verarbeiten lassen.

In der Märzsitzung 1946 des Stadtrats von Herzogenaurach wurde die Erbauung der Feintuchfabrik Theodor Fröhner im Stadtrat behandelt. Es wurde empfohlen, für die Firma gemeinsam mit der Industrie G.m.b.H. den "erforderlichen Grund und Boden im Weihers-bach- und Industriegelände zur Verfügung" zu stellen.

Bei der Feintuchfabrik Theodor Fröhner wurde auf hölzernen Handwebstühlen in Herzogenaurach ab 1947 wieder selber produziert, unter anderem Anzug- und Mantelstoffe. Der Betrieb wuchs, Fröhner war eine Volltuchfabrik ohne Färberei. Die Mitarbeiterzahlen entwickelten sich gut, 1950 standen 116 Mitarbeiter in Lohn und Brot. Da die Firma Fröhner später nach Aachen übersiedelte, wurden die Beschäftigten und die Gebäude von der Textilwerk Schaeffler KG übernommen.

Auch die Industrie G.m.b.H. wuchs, als Zwischenlösung erhielt sie die ehemalige Fliegerheimhalle im Weihersbach, außerdem zwei Schuppen sowie die Garage vor der Fliegerheimhalle mit insgesamt rund 505 Quadratmetern Grundfläche für 0,30 Reichsmark Pachtzins je Quadratmeter umbautem Raum vereinbart.

Ende 1946 wurde neben der Holzfertigung bei Schaeffler bereits mit der Verarbeitung von Metall begonnen. Die Zahl der Beschäftigten bei der Firma Schaeffler entwickelte sich gut, von 135 Beschäftigten im Jahr 1946 stieg deren Anzahl auf 491 Beschäftigte im Jahr 1953. Als Mitarbeiter bei der Firma Schaeffler waren zahlreiche Heimatvertriebene beschäftigt. Von 52 Prozent im Jahr 1948 stieg die Zahl auf 75 Prozent im Jahr 1951, um sich in den Jahren 1952 und 1953 auf 55 Prozent einzupendeln.

Sie trugen bedeutend zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region bei. Der damalige Landrat Peter Weber schrieb im Jahr 1950 zu den Neubürgern: "So kann doch heute schon mit Genugtuung festgestellt werden dass sie, auf die Dauer gesehen, ein wesentlicher Gewinn für unsere Volkswirtschaft darstellen. Ihr Fleiß, ihre Geschicklichkeit und ihr Unternehmungsgeist sind bewundernswert und befruchten unsere heimische Wirtschaft überaus günstig. So haben bereits heute zahlreiche Heimatvertriebene durch Aufbau wichtiger industrieller Betriebe entscheidend mitgeholfen, ihren Schicksalsgenossen lohnende Arbeit und Brot zu verschaffen. [...] So sind heute unsere Heimatvertriebenen aus unserem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken." red