Anklagend, aneckend, theatral
Autor: Stephan Stöckel
Kulmbach, Sonntag, 12. Dezember 2021
Rockband Konzerte von "Goethes Erben" sind große Auftritte, die sogar internationalen Erfolg bescheren. Aber ein Traum hat sich für die Gruppe noch nicht erfüllt.
Ob in der Politik, der Wirtschaft oder im kommerzialisierten Sport - die Gier der Menschen nach Reichtum führt mitunter zu einer Grenzüberschreitung, in der das Töten ganz bewusst in Kauf genommen wird. Davon handelt der aktuelle Titel der Gruppe "Goethes Erben" "Spiel mit mir". "Die Uefa hat mit ihrer Geldmaschine Europameisterschaft mehr Covid-Infektionen verursacht als die komplette Kulturlandschaft Europas während der bisherigen Pandemie", empört sich Oswald Henke, Frontmann und Sänger der Rockgruppe "Goethes Erben". Für ihn ist der Profifußball nur ein Symptom unter vielen. Der Künstler aus Bayreuth prangert die Gier und Rücksichtslosigkeit an, die sich "in viele Bereiche unserer egoistischen Ellenbogengesellschaft eingeschlichen hat". Anklagen, anecken und unbequem sein - in ihrem aktuellen Lied zeigt sich die Gruppe, deren Mitglieder aus Bayreuth, Kulmbach und Bamberg stammen, ganz von ihrer gewohnten Seite. Seit ihrem Debüt "Das Sterben ist ästhetisch bunt" aus dem Jahr 1992 zieht sich aber auch das Düstere, Dystopische und Makabre wie ein roter Faden durch das kreative Schaffen der Gruppe. "Mich interessierten schon immer die dunklen Grenzbereiche des Lebens, da ich hier kreativ zu Hause bin. Ich gebe Schmerzen Worte und finde Worte für Dinge, die andere Menschen nur sprachlos werden lassen", sagt Henke im Brustton der Überzeugung. Als gelernter Krankenpfleger sei er schon sehr jung mit den dunklen Grenzbereichen der menschlichen Existenz konfrontiert worden.
Im kurzlebigen Musikgeschäft sind 31 Jahre eine gefühlte Ewigkeit. Darauf angesprochen, warum die Gruppe schon so lange existiere, meint Markus Köstner, der aus Kulmbach stammt und seit 25 Jahren mit von der Partie ist: "Wir haben uns nie einem Zeitgeist angebiedert, sondern sind immer eigene Wege gegangen." Vor den Vermarktungskarren einer Musikindustrie, der es nur um den Profit gehe, hätten sie "Goethes Erben" nie spannen lassen. Auch nicht, als sie im Duett mit Peter Heppner von der Gruppe "Wolfsheim" und dem Lied "Glasgarten" in die deutsche Verkaufshitparade einstiegen.
Die Band wurde zunächst zur Hitparadensendung "Top Of The Pops" von RTL eingeladen - dann wieder ausgeladen. "Angeblich würden wir zu sehr polarisieren, und die Leute könnten bei einer Ausstrahlung umschalten", erinnert sich Henke an die Begründung der TV-Verantwortlichen.
Obgleich sie danach nie wieder in den Charts auftauchten, ihrer Popularität tat dies keinen Abbruch. Sie ist international gestrickt und beschert den Musikern Erlebnisse, auf die das Sprichwort "Wie klein ist doch die Welt" zutrifft. Von einer weiß Markus Köstner zu berichten: "Ich wurde in Berlin, wo ich meine zweite Heimat gefunden habe, von einem Mexikaner mit den Worten angesprochen: Hey, du bist doch der Schlagzeuger von ,Goethes Erben‘." Sieben Mal trommelte er schon in Mexiko vor Zigtausenden von Fans und immer wieder war er von der Überschwänglichkeit und Kontaktfreude der Musikliebhaber tief berührt. Und Sänger Oswald Henke wurde bei einem Auftritt im Jahr 2000 von begeisterten Fans sogar das Hemd vom Leib gerissen.
Geschichtenerzähler und Schauspieler
Wie haben "Goethes Erben" diesen Erfolg mit Auftritten in Belgien, Frankreich und Mexiko geschafft? Konzerte von "Goethes Erben" gleichen oftmals einem Musiktheater. Henke, der sich mehr als Geschichtenerzähler und Schauspieler denn als Musiker sieht, möchte nach eigener Aussage Menschen berühren, verwirren und mitnehmen. Worte kombiniert mit Musik und Darstellung könnten sehr viel intensiver wirken als ein auf musikalische Darstellung reduziertes Konzert, betont der Künstler. Dazu nutze er die unterschiedlichsten Kunstformen von Theater und Tanz über Schauspiel und Musik bis hin zur Projektion. "Zusammen ergibt das ein fettes Brett, das den Zuhörer mitreißt", klinkt sich Thomas Rödel ein. Der Kulmbacher Gitarrist und Bassist, der in München bei einem großen Fernsehsender arbeitet, ist seit 2016 mit von der Partie. Besonders die Tatsache, mit seinem alten Kumpel Markus Köstner, der auch bei der Kulmbacher Kultband "Euroschäck" mitspielt, wieder auf einer Bühne stehen zu dürfen, freut Thomas. "Mit ihm hatte ich Ende der 1980er Jahre in Kulmbach meine allererste Band ‚Forgotten Faces‘ gegründet." Vierter im Bunde ist derzeit der Bamberger Keyboarder und Gitarrist Tobias Schäfer.